Klopapierrollen, zur Ordnung gestapelt vom Briten Martin Creed.

Foto: Martin Creed / West.Fotostudio

Innsbruck – Die Herstellung der großen, diagonal schwarz-weiß gestreiften Ausstellungswand beruht auf banalen Regeln: die Breite der Spuren entspricht genau einer handelsüblichen Malerwalze, die Streifen reichen von der Decke bis zum Boden, die Fläche ist schlussendlich genau halb schwarz, halb weiß. Martin Creed, dessen Werk in der Galerie im Taxispalais zu ersten Mal in Österreich in einer Einzelausstellung zu sehen ist, gefällt der Gedanke, dass die Wand so zugleich bemalt und nicht bemalt ist, er etwas gleichzeitig getan und nicht getan und außerdem seinen persönlichen Geschmack ausgetrickst hat.

Regeln, Ordnungen und Systeme erlegt sich Creed, einer der wichtigsten britischen Künstler seiner Generation, bei allen seinen Werken auf, sie seien seine "Haltegriffe in der großen und komplizierten Welt". Zugleich reizt er sie aber bis zu ihren Grenzen aus und entlarvt sie als eigentlich unhaltbar. Wie im dicht an dicht ballongefüllten Raum, der von jedem Besucher erneut in Unordnung gebracht wird. Creed stapelt oder reiht Alltagsdinge wie Klopapierrollen, Kakteen, Tische und Pinselstriche der Größe nach, oft mit dem Ansatz, dem banalen Material durch die präzise Umsetzung eine sinnliche Ästhetik zu verleihen. So kommen Creeds Projekte nie stur daher, sondern mit Poesie und subtilem Humor – britischem, könnte man behaupten.

Zusammenspiel und Vielfalt

In der Ausstellung bewegt sich der Besucher durch eine fast 30-jährige Schaffensperiode des 1968 geborenen Künstlers und trifft auf Zeichnungen, Malerei und Skulpturen ebenso wie auf Fotografien, Videos und Neonschriftzüge. Die "Dinge" – so nennt Creed seine Projekte lieber als "Kunst" – wirken in der Galerie im Zusammenspiel und in ihrer Vielfalt, was dem Werk des Künstlers genau entspricht. So stehen sich beispielsweise eine seltsam blasenartige Wandausstülpung und ein rasterförmig montiertes Set an unterschiedlichen Glühbirnen in einem Raum gegenüber, untermalt vom Rhythmus dreier ungleicher Metronome. Sie verkörpern weitere Grundprinzipien von Creeds künstlerischem Universum, das im Grunde das Leben selbst zum Thema hat:

Einmal ist es das Arbeiten mit dem Vorhandenen, nämlich der Wand, der keine Kunst hinzugefügt, sondern die selbst zum Kunstwerk wird. Zum anderen das Dogma der unbedingten Gleichberechtigung von Dingen, in diesem Fall aller Leuchtmittel, die in einem Londoner Geschäft verfügbar waren. In diese Enzyklopädie des Banalen reihen sich auch die 24 A4-Blätter, die mit je einem farbigen Textmarker eines Herstellers flächenfüllend von links oben nach rechts unten bemalt wurden. Bei näherem Hinsehen offenbaren sie erstaunliche Lebendigkeit im Detail.

Diese Auseinandersetzung mit der Welt ist erfrischend uneitel und bestechend direkt. Wenn er in einem Video gehbehinderte Menschen beim Überqueren eines Zebrastreifens zeigt, unterlegt mit dem Soundtrack seiner eigenen Band, ist das wunderbar haarscharf an der Grenze zwischen Freundlichkeit und Zumutung. Ebenso die Anweisung an die Galeriemitarbeiter, das bereitgestellte Klavier in regelmäßigen Abständen gleichmäßig von unten nach oben und zurück zu bespielen, oder die Neonschrift "Don't worry", dessen ausgelutschte Message einem beunruhigend grell entgegenknallt. Creed hat sichtlich Freude am Ringen mit dem Chaos der Welt. (Nicola Weber, 15.9.2016)