Wien – Kurz vor dem Start der Herbstlohnrunde hat Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl seine Forderung nach einer Arbeitszeit-Flexibilisierung erneuert. "Die Zeiten ändern sich, daher müssen sich auch die Arbeitszeiten ändern", so Leitl. Seine Schlussfolgerung daraus: "Alles was wir dazu im Kopf haben, können wir vergessen."

Eine Flexibilisierung – also eine Anhebung der erlaubten täglichen Arbeitszeit von zehn Stunden, eine Reduktion der vorgeschriebenen Pause zwischen zwei Arbeitstagen und die Ausdehnung der Durchrechnungszeiträume für die Überstundenabgeltung – bedeute für die Arbeitgeber "nicht mehr arbeiten für weniger Geld", betonte Leitl am Dienstag vor Journalisten.

Vielmehr käme dies den Wünschen der Arbeitnehmer nach individuellerer Zeiteinteilung entgegen. So könnten sie sich zum Beispiel leichter ein langes Wochenende ansparen. Aber auch ein lebenslanges Zeitkonto in Kombination mit dem Pensionskonto wäre vorstellbar. Die Regelungen dazu sollten auf Betriebsebene getroffen werden.

Das wiederum ist den Gewerkschaften ein rotes Tuch, weil dadurch die Kollektivvertragsgemeinschaft durchbrochen würde. Wo die Arbeitgeber den Arbeitnehmern im Gegenzug für eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung entgegenkommen könnten, wollte Leitl vor der Herbstlohnrunde nicht verraten. Es müssten jedenfalls die Kaufkraft und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben, das sei im Interesse von beiden Seiten. Und hier habe sich die Sozialpartnerschaft sehr gut bewährt.

Wettbewerbsfähigkeit

Am Mittwoch präsentiert der größte Fachverband innerhalb der Metallindustrie – die Maschinen-, Metallwaren – und Gießereinindustrie (FMMGI) – bei einer Pressekonferenz seine Daten zu Wettbewerbsfähigkeit und Marktentwicklung. Am kommenden Montag erfolgt dann mit der Übergabe der Gewerkschaftsforderungen an den FMMGI der Startschuss zur Herbstlohnrunde. Die Kollektivvertragsverhandlungen für die rund eine halbe Million Handelsangestellten beginnen am 19. Oktober.

Während letztere im Regelfall eher geräuschlos über die Bühne gehen, gehören bei den KV-Gesprächen für die rund 185.000 Metaller mehrere nächtelange Verhandlungsrunden inklusive Streikdrohungen und Betriebsversammlungen zum Ritual. Im Vorjahr gab es 1,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt, der Mindestlohn wurde auf 1.750 Euro brutto erhöht. Die den Verhandlungen zu Grunde liegende Inflationsrate lag bei 1,1 Prozent.

Derzeit beträgt die Teuerungsrate 0,6 Prozent. Die Lohnabschlüsse der vergangenen Monate lagen großteils zwischen 1,4 und 1,5 Prozent.

Die letzte große Neuerung bei den Kollektivvertragsverhandlungen war die Einführung der Freizeitoption, unter anderem in der Elektro- und Elektronikindustrie sowie in Teilen der Metallindustrie. Vereinfacht gesagt kann der Arbeitnehmer auf die KV-Erhöhung verzichten und erhält dafür mehr Freizeit.

Freizeitoption

Bei einer KV-Erhöhung von zwei Prozent würde das rund fünf Arbeitstagen entsprechen. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Nutzung der Freizeitoption gibt es nicht. Ursprünglich vor allem für ältere Mitarbeiter gedacht, erfreut sich das Modell auch bei Jungen großer Beliebtheit, ist aus den betroffenen Branchen zu hören.

Bei den Kollektivvertragsverhandlungen geht es um den Anstieg von Ist- und KV-Löhnen und -Gehältern für die kommenden zwölf Monate. Eine automatische Erhöhung der Einkommen gibt es nicht. Der kollektivvertragliche Lohn ist die Untergrenze für die jeweilige Branche, unter der ein Arbeitgeber nicht zahlen darf. Das Ist-Gehalt ist das effektive Einkommen und darf nicht unter dem KV liegen.

Verdient ein Arbeitnehmer zum Beispiel 2.200 Euro brutto und er bekommt statt einer Lohnerhöhung von zwei Prozent eine Nulllohnrunde, liegt der Verlust nach zehn Jahren bei 6.745 Euro, rechnen die Gewerkschaften vor. (APA, 20.9.2016)