Viele Pfleger sehen sich von den etablierten Gewerkschaften nicht mehr vertreten.

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Wien – Der Streit zwischen der Stadt Wien und der Ärztekammer geht in eine neue Runde. Ein für heute anberaumtes Treffen zwischen Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) und Kammervertretern, um "Weichen im Gesundheitswesen zu stellen", findet nun am Dienstag statt, weil die Stadträtin doch auch die Wiener Gebietskrankenkasse einlud. "Das derzeitige Gesprächsklima wäre nicht das richtige, um wichtige Sachthemen zu besprechen", ließ Kammerpräsident Thomas Szekeres per Aussendung wissen.

Vorangegangen war dem der Wunsch Wehselys, das Vetorecht der Ärztekammer bei der Errichtung städtischer Ambulatorien abzuschaffen. Ein solcher "Angriff" sei "demokratiepolitisch bedenklich" und "werfe das Vertrauensverhältnis meilenweit zurück", so die Ärzte. Der Streitpunkt war nur der jüngste in einer ganzen Reihe von Differenzen; ihren Höhepunkt hatte die Auseinandersetzung wegen der Neuregelung der ärztlichen Dienstzeiten in Gemeindespitälern erreicht.

Journaldienste in Nächten oder an Wochenenden könnten nicht mehr besetzt werden, hieß es, neu überantwortete Tätigkeiten würden nicht angemessen entgolten, und die Versorgungsqualität für Patienten habe sich generell verschlechtert. Weil sie die etablierten Gewerkschaften teils auf der Seite der Arbeitgeber vermuteten, gründeten revoltierende Wiener Ärzte um Gernot Rainer Anfang des Vorjahres mit "Asklepios" eine eigene Gewerkschaft.

Dachverband in Aussicht

Genau diesem Vorbild folgen nun frustrierte Pflegebedienstete, die mit Oktober die "Unabhängige Pflegegewerkschaft" ins Leben rufen. Initiator Fabian Martin, Diplomierter Krankenpfleger aus Salzburg, übte bei einem Pressetermin am Montag in Wien unter anderem Kritik am Krankenanstalts-Arbeitszeitgesetz. Die vier für Pflegekräfte zuständigen Gewerkschaften – GÖD, GPA-DJP, Vida und Younion – hätten in den Verhandlungen verschiedene kollektivvertragliche Standpunkte vertreten, die sich nicht immer mit den Interessen der Mitglieder deckten, so Martin. So sei es zu "Arbeitsverdichtung, Überlastung und Finanzeinbußen durch geänderte Diensträder" gekommen.

Ziel der Pflegegewerkschaft sei es, so viele wie möglich der rund 60.000 Angestellten "im gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege" sowie der rund 15.000 Helfer zu verteten. Fraktionsbildungen oder Parteiinteressen sollen vermieden werden. Welche Mitgliederstärke er sich erhofft, ließ Martin offen: "Erwartungen werden oft enttäuscht."

Ideelle und organisatorische Unterstützung holte sich Martin von "Asklepios"-Obmann Rainer und dessen Stellvertreterin Anna Kreil, die die schon bei der Gründung der eigenen Gewerkschaft ausgerufene Bereitschaft erneuerte, ähnliche Vorhaben in anderen Gesundheitsberufen zu unterstützen. Höheres Ziel sei die Gründung eines "Dachverbands der unabhängigen Gewerkschaften der Gesundheitsberufe" (UGGB), für die sie derzeit acht bis zehn potenzielle Berufsbilder sehe, etwa Psycho- und Physiotherapeuten, Hebammen oder Bedienstete in der Behindertenarbeit. (Michael Matzenberger, 26.9.2016)