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Die Briten wollen raus aus der EU. Die Auswirkungen auf die Immobilienmärkte werden heftig diskutiert.

Foto: Reuters/Melville

München/Wien – Verlassen die großen Investmentbanken schon bald scharenweise die Finanzmetropole London? Werden Frankfurt oder Dublin, Amsterdam oder gar Wien davon profitieren können?

Seit dem Brexit-Votum der Briten vom 23. Juni, also der Entscheidung, die EU verlassen zu wollen, sind die Auswirkungen auf die Immobilienmärkte das wichtigste Gesprächsthema der Branche. So natürlich auch auf der Expo Real von 4. bis 6. Oktober in München, dem wichtigsten europäischen Branchentreff neben der Mipim in Cannes. Die Veranstalter der Expo haben diverse Diskussionsrunden zum Thema Brexit organisiert.

"So viele Unsicherheiten"

Logisches Hauptthema war der Brexit natürlich auch auf dem jüngsten CEE Property Forum am 21. September in Wien. Und dort wurde klar: Sicher ist gar nichts.

Es gebe schlicht "so viele Unsicherheiten", sagte gleich zu Beginn Keynote-Speaker Zsolt Darvas vom Bruegel Institute, einem renommierten Thinktank mit Sitz in Brüssel. Darunter seien auch viele sogenannte "unknown unknowns", also Dinge, von denen man gar nicht wisse, dass man sie nicht weiß. Dazu zählte Darvas etwa die Fragen, ob Großbritannien nicht letzten Endes in der EU bleiben werde. Oder auch: Wie die Reaktionen der EU-Spitzen auf diese oder jene Entscheidung ausfallen werden.

Dass die Stimmung auf den Märkten, insbesondere auch auf dem britischen Immobilienmarkt, derzeit durchaus optimistisch sei, könne mit einer gewissen Kurzsichtigkeit begründet werden, oder auch mit einem Grundvertrauen, dass es letztlich schon zu einem "guten Deal" für die Briten kommen werde. Die britischen Banken haben im Juli, kurz nach dem Brexit-Votum, zwar so wenige Hypotheken für Häuslbauer gewährt wie seit einem Jahr nicht mehr, die britischen Konsumenten schränkten ihre Konsumausgaben aber bisher nicht ein.

"Von London nach Singapur"

Einen starken und unmittelbaren Brexit-Effekt auf die Wirtschaft können die meisten Ökonomen daher nicht ausmachen. Aber viele Experten befürchten, dass sich die Lage in den nächsten Monaten verschlechtern könnte.

Dass es tatsächlich zu einem massiven "Exodus" am Londoner Büromarkt kommen wird, glaubte so mancher Immo-Profi am CEE Forum aber nicht. Frank Nickel, CEO der CA Immo AG, wies außerdem darauf hin, dass Investmentbanken von London statt nach Frankfurt ebenso gut nach Singapur übersiedeln könnten, das sei in deren globalem Denken eine realistische Option.

Rückkehrer als großes Thema

Von einigen der mehreren Hundert anwesenden mittel- und osteuropäischen Immobilienprofis wurde aber auch eine andere Frage aufgeworfen: Welche Auswirkungen wird der Brexit auf die Wohnimmobilienmärkte der osteuropäischen Metropolen zeigen? Die Einschränkung des starken Zuzugs nach Großbritannien, etwa aus Polen, war laut Umfragen das wichtigste Motiv der Brexit-Befürworter. Schon kurz nach dem Votum war es zu ausländerfeindlichen Aktionen in britischen Städten gekommen. Rückkehrer nach Warschau oder Bukarest könnten deshalb für die dortigen Wohnimmobilienmärkte große Herausforderungen bedeuten – aber eben auch Chancen für Investoren.

Wird sich der Brexit also in erster Linie auf die Wohnungsmärkte des Alten Kontinents auswirken? Rund 2,1 Millionen EU-Ausländer arbeiten in Großbritannien. Andererseits lebt eine halbe Million Briten dauerhaft in Spanien. Auch sie sehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Von österreichischen Wohnimmobilienexperten hört man schon, dass sich seit dem Brexit-Votum auffallend mehr britische Interessenten am Wiener Wohnungsmarkt tummeln. Es bleibt spannend. (Martin Putschögl, 1.10.2016)