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Die Gewitterwolken über der Deutschen Bank wollen nicht vorüberziehen. Ob sich ein heftiges Unwetter entlädt, hängt wesentlich davon ab, ob das Institut die Diskussionen über das eigene Überleben stoppen kann.

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Frankfurt/Wien – Seinen 60er hat sich Paul Achleitner wohl etwas anders vorgestellt, blickt doch die Finanzwelt und zusehends auch die Politik gebannt auf das Geldinstitut, dessen Aufsichtsrat Achleitner vorsitzt: die Deutsche Bank. Die ganze Woche musste die größte deutsche Bank im Chor mit Berliner Regierungssprechern Berichte über anstehende Staatshilfen dementieren.

Doch aus den Turbulenzen kommt das angeschlagene Institut mit den Äußerungen nicht heraus. Kein Tag vergeht ohne neue Hiobsbotschaften. Donnerstagabend verbreitete die US-Finanzagentur Bloomberg, dass einige Hedgefonds ihr Volumen im Derivategeschäft mit der Deutschen Bank reduziert hätten. Zu riskant. Die ohnehin arg geprügelte Aktie des Finanzkonzerns, deren Kurs seit 2007 um 90 Prozent abgesackt ist, stürzte am Freitag vorübergehend erstmals unter die Marke von zehn Euro, erholte sich dann aber wieder. Am Abend ging sie im US-Handel durch die Decke, weil AFP von einer Minderung der drohenden US-Strafe von 14 auf 5,4 Milliarden Dollar berichtete.

Prozessrisiken

Riesige Prozessrisiken, bei denen die drohende US-Strafe für Vergehen bei Hypothekargeschäften nur der Höhepunkt ist, schlechtes Abschneiden im Stresstest, ein gewaltiger Derivate-Berg, der mit 42 Billionen drei Mal so groß ist wie die Wirtschaftsleistung der EU, machen dem Institut zu schaffen. Doch noch gefährlicher erscheint das aktuelle Gerede. Für die Investmentlegende Jim Rogers ist die Bank längst Pleite.

Bei einer Implosion des Instituts würde sich der Kollaps von Lehman Brothers vor acht Jahren wie der Untergang eine Provinzbank ausnehmen, meinte er kürzlich. Klar: Rogers hat schon oft große Töne gespuckt und lag nicht selten daneben. Doch eine Bank lebt von Vertrauen. Und da können derartige Spekulationen das gesündeste Institut zu Fall bringen.

Auch von politischer Seite wird derzeit nachgelegt. Für Italien, dessen Banken auf 360 Milliarden Euro an faulen Krediten sitzen, sind die Turbulenzen in Frankfurt eine willkommene Gelegenheit, um von den eigenen Schwierigkeiten abzulenken. Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan forderte am Freitag in La Stampa eine rasche Lösung der Deutsche-Bank-Probleme. Davor hatte sich schon Ministerpräsident Matteo Renzi mit kritischen Hinweisen auf die Risiken des Finanzsektors in Deutschland hervorgetan.

Self fullfilling prophecy

Halten die Negativschlagzeilen an, könnte die Deutsche Bank zum Opfer der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen werden, meinen Insider. Ziehen Kunden größere Summen von einem Institut ab, können Liquiditäts- und Kapitalpolster noch so prall gefüllt sein: Einen Banken-Run hält auf Dauer kein Finanzinstitut aus.

In Zahlen: Die Deutsche Bank verfügt über 196 Milliarden Euro an hochwertigen Liquiditätswerten, die ohne Abschläge rasch an den Mann gebracht werden können. Das ist ein Vielfaches dessen, was Lehman vor der Pleite an cashähnlichen Reserven aufgebaut hatte. Dazu kommt, dass die Europäische Zentralbank jederzeit zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen könnte, sollte ein Bedarf entstehen. Die Kehrseite der Medaille: Mit 565 Milliarden Euro an Einlagen besteht ein Potenzial für Kapitalabflüsse, das die Liquidität deutlich überschreitet. Das ist – wie gesagt – bei fast jeder Bank so. Doch wenn ein Institut attackiert wird, wird es gefährlich.

Garantien im Gespräch

Derweil schließt auch die Eurogruppe Hilfsmaßnahmen aus. Ihr Vorsitzender Jeroen Dijsselbloem erklärte, die Deutsche Bank müsse die Probleme "aus eigener Kraft" lösen. Doch Gerüchte, dass die Regierung zumindest Stützungen in Form von Garantien vorbereitet, halten sich in hohen EZB-Kreisen hartnäckig.

Und was macht Achleitner? Er schweigt. Manche würden sich in der schwersten Krise der Bank eine kommunikativere Rolle des Präsidenten wünschen. Es war Achleitner, der den lange als unantastbar geltenden Anshu Jain absägte und mit John Cryan einen Bankchef seiner Wahl installierte, der nun aufräumen muss. Dessen Beruhigungsversuche halten manche schon für besorgniserregend. Möglicherweise arbeitet Achleitner, der mächtige Strippenzieher, der als Allianz-Finanzchef die Dresdner der Commerzbank umhängte, längst an einem Plan. Sollte der aufgehen, wäre seine Aufsichtsratsgage von 808.000 Euro im Jahr wohl gerechtfertigt. (Andreas Schnauder, 30.9.2016)