Augen auf. Ein Blick von der Veranda in die weite Prärie. Der Vater sitzt immer schon bereit. Jeden Morgen stellt er seiner Tochter Dolores (Evan Rachel Wood) die gleiche Frage. Auch im Ort, ob im Saloon oder auf der staubigen Straße, ist die Abfolge jeden Tag fast identisch. Abweichungen kommen durch die Besucher ins Spiel, durch Menschen, die in die Westernstadt reisen, um in eine Fantasie einzutauchen.

Wem dieses Szenario vage vertraut vorkommt, der hat Michael Chrichtons "Westworld" (1973) schon einmal gesehen, einen Sci-Fi-Film mit Yul Brynner als androidem Revolverhelden. HBO hat die Grundformel des Klassikers nun als Fundament für eine neue, aufwendig produzierte Serie (Idee: J. J. Abrams) genutzt. Nach der ersten Folge (in Österreich auf Sky Ticket und Sky Go abrufbar) steht fest: Das darauf errichtete Gedankengebäude steht nicht nur solide, es nimmt sich auch profund und vielschichtig aus.

Sky Österreich

Simulationen verwischen den Unterschied zwischen Sein und Schein. In "Westworld" tritt dieser durch den hübschen Schlüsselreiz einer Fliege wieder hervor. Die Westernavatare entwickeln eine Form von Bewusstsein. Mitten im Satz bleiben sie stecken, andere hören nicht mehr auf zu morden. Die Fassaden der nach dem Muster der "Truman Show" gelenkten Frontier-Welt werden sichtbar. Welcher Wurm im System nistet, weiß auch der Kreativdirektor (Anthony Hopkins) nicht.

Gut möglich, dass sich "Westworld" zur Serie der Stunde mausert. Die Auseinandersetzung mit ungerecht geregelten Welten, in denen die einen im existenziellen Loop festhängen, die anderen sich scheinbar frei bewegen und ganz oben gierig abkassiert wird – sie erscheint zeitgemäßer denn je. (Dominik Kamalzadeh, 3.10.2016)