Kampfpilot Lars Koch (Florian David Fitz) wird von der Anklage 164-facher Mord vorgeworfen. In Ferdinand von Schirachs "Terror – Ihr Urteil" schlüpfen die Zuseher in die Rolle von Geschworenen.

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Das "Terror"-Team (von links): Lars Eidinger (Verteidiger Herr Biegler), Martina Gedeck (Staatsanwältin Frau Nelson), Florian David Fitz (Angeklagter Lars Koch) und Burghart Klaußner (Vorsitzender Richter).

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Der deutsche Schriftsteller Ferdinand von Schirach schrieb "Terror – Ihr Urteil" als Theaterstück. Die Verfilmung landet am Wochenende im Kino und am 17. Oktober im ORF.

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Wien – Um 19.32 Uhr geht der Funkspruch ein, dass sich die Maschine der Lufthansa in der Gewalt von islamistischen Terroristen befindet. Rund eine Stunde später denkt sich Lars Koch (Florian David Fitz): "Wenn ich jetzt nicht schieße, werden Zehntausende sterben." Was in diesen 60 Minuten bis zur Entscheidung des Piloten, das Flugzeug vom Himmel zu holen, passiert, wird fünf Monate später in einer Gerichtsverhandlung in Berlin rekonstruiert: Koch muss sich für den Tod von 164 Passagieren verantworten. Er sagt: "Ich habe es nicht übers Herz gebracht, 70.000 Menschen sterben zu lassen."

Das Flugzeug nahm nämlich Kurs auf die vollbesetzte Allianz-Arena in München, wo Fußballfans das Spiel zwischen Deutschland und England verfolgten. Koch ignorierte den Befehl seines Vorgesetzten und feuerte. Die Anklage lautet auf 164-fachen Mord. Sie fußt auf einer Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts, wonach Leben nicht gegen Leben abgewogen werden kann. Egal, wie das Verhältnis ist.

"Recht und Moral sind streng voneinander zu trennen", sagt die Staatsanwältin (Martina Gedeck) bei der Verhandlung, "das ist das Wesen des Rechtsstaats".

Diesen Rechtsstaat transformiert Autor Ferdinand von Schirach in seinem Theaterstück "Terror – Ihr Urteil" zu einem moralischen Dilemma, in dem Zuseher zu Geschworenen mutieren. Sie entscheiden per Abstimmung, ob der Angeklagte schuldig ist.

Mehrere Länder beteiligt

Die filmische Adaption des Theaterstücks zeigen ORF, ARD und Schweizer SRF am Montag, 17. Oktober, um 20.15 Uhr. Eingebettet in einen Themenabend lässt Peter Resetarits im ORF im Anschluss in "Am Schauplatz Gericht Spezial" diskutieren. Das Ende des Films bestimmt das Publikum, indem es den Angeklagten für schuldig oder nicht schuldig befindet.

An Bord des Experiments sind aber nicht nur deutschsprachige Sender: Der Film läuft zeitgleich auch in Slowenien und Tschechien. Aufspringen könnten auch Frankreich und Italien. "Zwei bis vier Wochen später" sollen die skandinavischen Ländern folgen, sagt Oliver Berben, der den Film produziert hat, bei der Präsentation am Montag in Wien.

Dass Zuseher richten, soll einen Diskussionsprozess auslösen, hofft Berben, indem der "Wert von Rechtsstaat und Demokratie" vor Augen geführt wird.

Für Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) sollen Zuseher dafür sensibilisiert werden, wie schwierig es oft sei, juristische Entscheidungen zu treffen. "Dieser Film gehört bereits in die Schulen", so Brandstetter. ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner wiederum möchte bewusstmachen, was Verantwortung heißt: "In hyperventilierenden Blasen werden nur allzu schnell Schuldsprüche gefällt."

Bereits am Wochenende gibt es einen Testlauf in 100 deutschen und sechs österreichischen Kinos. Sie zeigen den Film zeitgleich und bitten zur Abstimmung. Zumindest bei den Medienvertretern am Montag war das Urteil eindeutig: 15 von 20 sagten "nicht schuldig". (Oliver Mark, 11.10.2016)