Die österreichische Autorin Ela Angerer auf ihrem Schreibtisch, auf dem sie gerade ihren zweiten Roman schrieb. Als das Buch fertig war, hat sie sich bei ihrem Tisch für die gute Zusammenarbeit bedankt.

Foto: Christian Benesch
Foto: Christian Benesch

In meiner Wohnung gibt es zwei Zentren, das Bett und den Schreibtisch. Alles andere ist nebensächlich. Der Schreibtisch steht wie das Bett für mehr als das, wofür sie konstruiert wurden. Mein Schreibtisch ist ein Möbel, das ständig umfunktioniert wird. Ich schreibe an ihm, esse an ihm und noch mehr.

Bei dem Tisch handelt es sich um ein sehr leichtes Exemplar, ich hab ihn aus Aluminium bauen lassen. Die Arbeitsplatte besteht aus MDF. Inspiriert zu seinem Design haben mich schon vor einer ganzen Weile die Tische im Wiener Restaurant Expedit. Ich habe damals den Tischler vom Expedit gefragt, ob er mir einen Schreibtisch tischlern würde. Anfangs ließ er sich sehr bitten, aber irgendwann hat er den Auftrag doch angenommen.

Der Tisch ist perfekt, damit meine ich vor allem seine Leichtigkeit und Flexibilität. Ein schwerer Holztisch käme mir nicht in die Wohnung. Unverrückbarkeit macht mir generell eher Angst. In meiner Wohnung gibt es nur zwei Zimmer, da ist es umso wichtiger, dass ich ihn verschieben kann, zum Beispiel wenn Gäste kommen und man tanzen will.

Ein ganzes Jahr am Tisch

Nicht ich unterwerfe mich dem Möbel, sondern das Möbel passt sich an meine Bedürfnisse an, schließlich verbringe ich viel Zeit am Schreibtisch. So viel, dass ich mir neulich anstatt eines schönen Vintage-Sessels einen ergonomischen Schreibtischstuhl angeschafft habe. Für meinen neuen Roman saß ich ein ganzes Jahr an dem Tisch. Da wächst man schon zusammen. Wir haben als Team unser Bestes gegeben.

Als ich den letzten Satz des Buches niedergeschrieben habe, legte ich mich mit dem Oberkörper auf die Tischplatte und lag eine ganze Weile so da und dachte mir, "danke, das war es!" Um Literatur produzieren zu können, muss man sich extrem zurückziehen. Alles, was aus der Außenwelt auf einen hereinprasselt, killt die Fantasie. Bevor ich am Morgen zu schreiben beginne, darf ich weder das Internet aufdrehen noch einen Anruf annehmen. Sonst wäre mein Hirn sofort gegrillt, und ich hätte meine Zugänge zum Buch verloren. Im Idealfall mach ich, bevor ich mich an den Schreibtisch setze, meine Turnübungen, so wie eine alte Omi. In ein Fitnessstudio bringt man mich nicht.

Auch wenn mir in der Nacht was einfällt, stehe ich auf und setze mich an den Schreibtisch. Früher hab ich den Computer ins Bett geholt. Das stellte sich aber für meinen Rücken als nicht besonders gesund heraus. Man sieht schon, mein Schreibtisch ist meine Insel. Ich liebe übrigens auch seine Farbe, dieses Stierblutrot, das für mich Wärme und ein Gefühl von Zuhausesein suggeriert.

Das wichtigste Ding auf dem Tisch ist mein Laptop

Schubladen würden mich nur stören, weil ich dauernd daran denken müsste, was sich darin ansammelt. Das würde mich nur unnötig beschäftigen. Diese Gedanken wären viel zu präsent. Ein Schreibtisch soll für mich wie ein weißes Blatt Papier sein. Ich muss ihn in einer Minute frei von allem bekommen, so als würde ich einen Notizblock umblättern. Ein paar Dinge liegen freilich schon herum. Ich denke, das fördert die Kreativität, auch wenn ich diese Sachen immer wieder wegräume, um wieder bei null anfangen zu können.

Eine Freundin von mir, die Schauspielerin Nicola Kirsch, war vergangene Woche bei mir und meinte angesichts meines Schreibtisches, "Aha, das ist also ein richtiger Autorenschreibtisch". Was da herumlag? Nun, Manuskripte, ein Notizblock, eine Lesebrille, mein Laptop und homöopathische Beruhigungspillen. Das wichtigste Ding auf dem Tisch ist leider mein Laptop. Ich weiß, das ist nicht besonders romantisch.

Ich denke, die Gattung Schreibtisch wird es immer geben, weil man ihn einfach braucht. Ich habe einen sehr dekorativen Fauteuil in der Wohnung, komm aber nie auf die Idee, mich in diesen hineinzusetzen. Der Schreibtisch ist wie ein Cockpit. Mir fällt zum Thema Schreibtisch auch die Serie "You better call Saul" ein. Als der Protagonist endlich als Anwalt ernst genommen und fest angestellt wird, verlangt er einen ganz bestimmten, klassischen, schweren Schreibtisch für sein Büro. Der Firmenwagen, der ihm angeboten wird, ist ihm total egal. (Michael Hausenblas, RONDO, 14.10.2016)