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Eine Patientin beim gängigen Mammografie-Screening. Die Studienautoren halten die Magnetresonanztomografie für zuverlässiger.

Foto: ap/FRANKA BRUNS

100 Prozent Sicherheit bei der Brustkrebsfrüherkennung verspricht eine Presseaussendung der Med-Uni Wien. Für STANDARD-Blogger Gerald Gartlehner wird damit Unmögliches versprochen. "Es gibt keine perfekten Tests mit 100 Prozent Sicherheit. Niemals. Auch nicht in Österreich." Die Studienautoren erklären in ihrer Replik, warum dies dennoch ein akkurates Verfahren zur Verbesserung der Brustkrebsdiagnostik ist.

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Gerald Gartlehner versucht als nicht klinisch tätiger Mediziner die deutschsprachige Welt über falsche oder zumindest unzureichend bewiesene Fakten zu informieren. Stichwort: "Hat Granderwasser eine Wirkung?" In seinen Fokus kam nun auch eine Studie zur Brustkrebsdiagnostik, deren Autoren wir sind. Manche Patientin und gleichermaßen wohl auch manchen behandelnden Arzt ließ der Beitrag atemlos zurück. Glücklich ob der aufgedeckten Fehler geltungsbedürftiger Wissenschafter, aber andererseits auch ratlos und verunsichert bezüglich des Nutzens oder Schadens von Brustkrebsdiagnostik.

Gartlehner mag ein erklärter Gegner von Früherkennung mittels Mammografie sein. Diese Debatte wird zu Recht seit Jahren geführt, und wir verstehen beide Positionen voll und ganz. Fakt ist aber, dass praktisch alle Industrieländer Früherkennungsprogramme unterhalten und die meisten großen wissenschaftlichen Gesellschaften diese unterstützen. Damit ist die Früherkennung Realität. Folgt die eingeladene Frau der Aufforderung zur Brustuntersuchung, gibt es zwei mögliche Ergebnisse: auffällig oder unauffällig.

Biopsie durch das Schlüsselloch

Ein auffälliges Ergebnis bedeutet einen Einschnitt: Das Damoklesschwert des Krebses hängt als dräuendes Schicksal über der Patientin, ihren Angehörigen und Freunden. Die Patientin drängt auf Sicherheit. Standardverfahren sind, je nach Auffälligkeit des Ergebnisses, kurzfristige Kontrollen halbjährlich über zwei Jahre oder eine sofortige Biopsie. Erstere bedeutet Unsicherheit, ja, Angst. Die zweite birgt zwar lediglich geringe Risiken – vorrangig Blutergüsse, leider auch in Einzelfällen dauerhaft schmerzhafte Narben oder behandlungsbedürftige Blutungen –, ist aber nicht 100-prozentig akkurat.

Denn die Biopsie kann fälschlich gutartige Befunde zeigen und ergibt regelhaft unklare Befunde, die einer weiteren Abklärung durch offene Operationen bedürfen. Nicht selten ist die Auswahl einer geeigneten Biopsiestelle sehr schwierig, oft gleicht sie einem Blick durch das Schlüsselloch. Das führt dann erneut zu Kontrollen, weiteren Biopsien oder gar Operationen.

Genauigkeit der Magnetresonanztomografie

Erst hier setzt unsere Studie (Diagnostic Performance of Breast Magnetic Resonance Imaging in Non-Calcified Equivocal Breast Findings: Results from a Systematic Review and Meta-Analysis) an. Diese ist entgegen Gartlehners Bezeichnung als Übersichtsarbeit tatsächlich, wie bereits im Titel ersichtlich, eine systematische Übersichtsarbeit mit nachfolgender Metaanalyse. Sie untersucht die Genauigkeit der Magnetresonanztomografie (MRT) zur weiteren Abklärung unklarer Befunde in Mammografie, Ultraschall und klinischer Untersuchung, welche sich nicht als Mikroverkalkungen darstellen. Und die Studienergebnisse sind eindeutig.

Trotz der relativen Unschärfe des Begriffs "unklarer Befund" stimmen alle infrage kommenden Studien in einem Punkt zweifelsfrei überein: Eine unauffällige MRT schließt Brustkrebs oder seine Vorstufen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus. Das lässt sich auch ganz ohne statistische Kenntnisse bereits am Küchentisch zusammenzählen: 0,38 Prozent (7 von 1.820) der negativen MRTs zeigten einen Tumor, vier dieser Fälle in einer als Ausreißer identifizierbaren Studie. Das statistische Modell macht dann aus diesen rein additiv 99,6 Prozent Sicherheit (entsprechend dem negativen Vorhersagewert) gar 99,9 Prozent. Gartlehner verwechselt leider die statistischen Kennzahlen und nennt mit 99 Prozent die Sensitivität der MRT.

Evidenzbasierte Medizin

Nun dienen Studienergebnisse ja evidenzbasierten Empfehlungen. Gemäß dem Oxford Center of Evidence-Based Medicine werden für das höchste Evidenzniveau 1a mit dem höchsten Empfehlungsgrad (A) der Anwendung diagnostischer Verfahren eindeutige und einheitliche Studienergebnisse, zusammengefasst in einer systematischen Übersichtsarbeit, gefordert. Da unsere Studie zweifelsfrei diesen Anforderungen genügt, irritiert die sich bedauerlicherweise mehr assoziativ als inhaltlich mit unserer Arbeit beschäftigende Darstellung. Denn hier haben wir ein Verfahren, das den Patientinnen Sicherheit geben kann – eine negative MRT schließt Brustkrebs faktisch aus.

Gartlehner kritisiert, dass "Äpfel mit Birnen vermischt" werden, "um dann auf Bananen zu schließen". Dieser Vorwurf ist jedoch unbegründet: Die anhand vordefinierter Kriterien im Rahmen einer systematischen Übersichtsarbeit eingeschlossenen Studien untersuchen eben nicht wie vom Autor dargestellt eine wilde Mischung von Frauen aus Screening und kurativer Diagnostik, sondern Frauen, bei denen eine vordefinierte klinische Fragestellung vorliegt.

Emotionale Debatte

Wie auch beim Thema Impfen wird die Früherkennungsdebatte schnell emotional. Die MRT ist eine relativ neue Methode, bietet aber die höchste Sensitivität zur Erkennung von Brustkrebs. In unserer ärztlichen Tätigkeit geht es in erster Linie um die Patientin. Und zur ärztlichen Verantwortung gehören Entscheidungen nach erfolgter realistischer Abschätzung des Erkrankungsrisikos.

Anhand unserer Daten ist klar ersichtlich, dass sich im Mittel 76 von 100 Patientinnen (schwankend zwischen 44 und 98 Prozent) mit unklaren Ergebnissen nach Mammografie und Ultraschall ohne MRT unnötigen Kontrollen und Biopsien gutartiger Befunde unterziehen müssen. Mit der MRT reduziert sich risikofrei die Anzahl dieser Patientinnen auf elf von 100. Somit verursacht die MRT in unserem Patientinnenkollektiv keine zusätzlichen Untersuchungen wie von Gartlehner interpretiert, sondern reduziert Untersuchungen, die ohnehin stattgefunden hätten, um das annähernd Siebenfache.

In Einzelfällen technisches und menschliches Versagen

Zum Versprechen hundertprozentiger Sicherheit: Selbstverständlich gibt es in Einzelfällen technisches und menschliches Versagen – wie oben genannt absolut und pessimistisch abgeschätzt 0,4 Prozent. Etwa wenn sich die Patientin bewegt hat, das Kontrastmittel falsch gespritzt wurde oder der Befund nicht im Untersuchungsfeld liegt. Es gehört auch zur ärztlichen Verantwortung, solche Fälle zu identifizieren und entsprechend zu handeln.

Tatsächlich nicht kontrastaufnehmende Tumore, das heißt ein Versagen der MRT selbst, sind so unglaublich selten, dass sich ihre Darstellung auf Kasuistiken beschränkt. Das liegt daran, dass die MRT im Gegensatz zu Mammografie und Ultraschall funktionelle Gewebeinformationen erfasst: Gemessen wird die Durchblutung des Gewebes. Ein biologisch aktiver Tumor benötigt Blut, um Nährstoffe für sein Wachstum heranzutragen und bildet somit Botenstoffe, welche Gefäßneubildungen begünstigen. Die MRT hat sogar das Potenzial, die von Gartlehner kritisierten Überdiagnosen zu reduzieren, da sie spezifisch biologisch aggressivere Tumore nachweist, eindrucksvoll dargelegt in der Fachzeitschrift "The Lancet".

Fest steht, die MRT kann bei unklaren, nicht verkalkten Befunden Brustkrebs bei negativem Ergebnis faktisch – 99,9 oder aufgerundet 100 Prozent – ausschließen. (Barbara Bennani-Baiti, Pascal Baltzer, 14.10.2016)