Die SPÖ-Parteigranden wurden am Freitag vor Sitzungsbeginn von Demonstranten der roten Parteijugend empfangen.

Foto: APA / HERBERT PFARRHOFER

Kanzler Christian Kern will Ceta auf EU-Ebene nicht blockieren.

Foto: Hendrich

Wien – Es war eine heftige Diskussion, so erzählen es Sitzungsteilnehmer, die SPÖ-Chef Christian Kern mit den rund 30 Mitgliedern des SPÖ-Präsidiums am Freitag zu führen hatte. Viele Genossen haben noch immer große Bedenken gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta).

Kern räumte nach der dreieinhalbstündigen Diskussion auch ein, dass die roten Gewerkschafter gern eine "Totalablehnung" des Pakts gehabt hätten. Sie sind damit nicht allein, der Widerstand geht quer durch die Partei und die Landesgruppen.

Angst vor Reputationsverlust

Selbst er sei "kein Anhänger" von Freihandelsabkommen des "neuen Typs", wie ihn Ceta darstellt, sagte Kern und ergänzte: Auch wenn der in den letzten Wochen verhandelte Beipacktext zu Ceta – er soll bei der Interpretation des 1.600-seitigen Vertrages helfen – Verbesserungen gebracht habe, sei es nicht gelungen, alle Bedenken auszuräumen.

Am Ende des Tages gehe es aber auch um die "Reputation" Österreichs und um den "Wirtschaftsstandort", erklärte der Kanzler und begründete damit, warum die SPÖ nun Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) – unter gewissen Auflagen – die Ermächtigung erteilen wird, am kommenden Dienstag in Luxemburg im Handelsministerrat Ceta zuzustimmen. "Wir werden den Prozess nicht behindern", sagt Kern, der nun hofft, dass sich alle in dieser Vorgangsweise finden können.

Was sind nun die Bedingungen? Es brauche eine Möglichkeit, die vorläufige Anwendung von Ceta auch wieder zu beenden, erklärte Kern. Für einen geplanten Ceta-Ausschuss brauche es eine demokratische Anbindung an die nationalen Parlamente. Diese Forderungen sollten kein Problem sein. Sie waren am Donnerstag auch vom deutschen Bundesverfassungsgerichtshof als Voraussetzung für die Zustimmung der deutschen Regierung definiert worden.

TTIP nicht zustimmen

Zudem will der SPÖ-Chef jetzt schon formell deponiert haben, dass man TTIP, also dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA, auf Basis des jetzigen Verhandlungsmandats nicht zustimmen werde können. Und schließlich müssten vor einer Ratifizierung von Ceta durch den österreichischen Nationalrat "offene Fragen" bei den Investitionsgerichten geklärt werden.

In diesen Sondergerichten sehen viele SPÖler noch immer das Grundübel von Ceta. Offen ist daher, ob es im Parlament eine Mehrheit geben wird. Was die Sache kompliziert macht: Nach den EU-Beschlüssen werden vorerst nur Teile des Abkommens angewendet – jene, die in alleinige EU-Kompetenz fallen (zum Beispiel Zölle). Die anderen Bereiche, wie eben das Investitionsgericht, an das sich Firmen im Fall einer vermuteten Diskriminierung wenden können, gelten erst, wenn Kanada und alle 28 EU-Staaten zugestimmt haben.

Verzögerungstaktik

Diesen Prozess will die SPÖ nun möglichst lang verzögern, wie ein Präsidiumsmitglied erzählt. "Wir werden sicher nicht in den nächsten fünf Jahren zustimmen." Details zu den Gerichten müssen tatsächlich noch geklärt werden. Etwa ein "Code of Conduct" für die Richter. Dabei geht es unter anderem um deren Bezahlung. Nach derzeitigen Plänen würde es Anreize geben, möglichst viele Klagen mit vielen Verhandlungstagen abzuhalten, sagte Kern. Auch will er weiter präzisieren, wie die Schadenersatzhöhe im Streitfall zu ermitteln sei.

Was passieren würde, wenn ein Staat Ceta nicht ratifiziert, ist nicht ganz klar. Als Gesamtes in Kraft treten könnte es jedenfalls nicht. Die Frage, ob dann auch jene Teile, die vorläufig angewendet wurden, wieder außer Kraft treten würden, ist aber rechtliches Neuland, wie der juristische Dienst der EU-Kommission zuletzt erklärte.

Kogler: "Unterzeichnung wäre verfassungswidrig"

Die Grünen halten die nun gewählte Vorgangsweise für nicht zulässig. Es existiere ein Nationalratsbeschluss, in dem klargestellt wurde, dass "nichts zu unterzeichnen ist, wo Schiedsgerichte vorkommen" und Konzernklagsrechte im Text verankert seien, erklärte Europasprecher Werner Kogler. Die Zustimmung Mitterlehners in Luxemburg wäre daher verfassungswidrig, glaubt er. (Günther Oswald, 14.10.2016)