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Die Proteste gegen Ceta reißen nicht ab. Am Wochenende gingen wieder Menschen in zahlreichen europäischen Städten – hier in Warschau – gegen den Freihandelsvertrag auf die Straße.

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Brüssel/Wien – Parteiintern hat sich SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern mit seinem Ja zu Ceta nicht nur Freunde gemacht. Nach ÖGB-Chef Erich Foglar hat am Montag auch Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske bekräftigt, dass man dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada nicht zustimmen könne, weil nicht alle Bedenken hinsichtlich Standards von Arbeitnehmerrechten, Konsumentenschutz und Daseinsvorsorge ausgeräumt seien und man Schiedsgerichte grundsätzliche ablehne.

Auf Regierungsebene wurde am Montag dennoch endgültig grünes Licht für Ceta gegeben. Per Umlaufbeschluss des Ministerrats werden Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Kern ermächtigt, Ceta auf EU-Ebene zuzustimmen.

Multilaterales Gericht

Im Ministerratstext, der am Abend fertiggestellt wurde, wird darauf hingewiesen, dass Österreich darauf besteht, die vorläufige Anwendung von Ceta auch wieder beenden zu können. Bei den umstrittenen Schiedgerichten will man sich um weitere verfahrensrechtliche Klärungen bemühen und sich, damit es künftig keine Probleme mehr bei diesem Thema gibt, um die Einrichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofes bemühen. In Sachen TTIP, also dem geplanten Abkommen mit den USA, will sich Rot-Schwarz für ein neues Verhandlungsmandat einsetzen (vorher müsste das alte aber einstimmig zurückgezogen werden). Diese Punkte waren am Freitag auch im SPÖ-Präsidium besprochen worden.

Am Dienstag wurde der Ceta-Pakt bei einem EU-Sonderministerrat der Handelsminister beraten. Ende Oktober folgt die formelle Unterzeichnung durch Kern bei einem EU-Kanada-Gipfel.

Klarstellungen

In einem neunseitigen ergänzenden Protokoll zu Ceta wurde zuletzt noch versucht, Bedenken auszuräumen. So wird betont, dass durch Ceta kein Staat an der Regulierung in den Bereichen Gesundheit, Soziales oder Bildung gehindert werde und auch niemand zu Privatisierungen gezwungen werden könne. Verwiesen wird auch darauf, dass Arbeitnehmerrechte nicht beschnitten werden können und dass im Bereich Umweltschutz weitere Schutzmaßnahmen durch die Staaten möglich sind. Diese Punkte finden sich zwar auch im 1600-seitigen Vertrag, waren dort für manche Experten zu schwammig formuliert. Noch einmal präzisiert wurde, dass auch der Beipacktext rechtsverbindlich sein wird.

Längst ist Ceta auch Thema im Präsidentschaftswahlkampf in Österreich. Für die Regierungsermächtigung braucht es die Zustimmung des Bundespräsidenten. Derzeit werden diese Geschäfte stellvertretend vom Nationalratspräsidium ausgeübt, dem auch FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer angehört.

Hofer gegen Ermächtigung

Er wolle den Beschluss keinesfalls mittragen, wie sein Sprecher am Montag erklärte. Daher liegt es an Doris Bures (SPÖ) und Karlheinz Kopf (ÖVP), die Ermächtigung freizugeben. Wann Ceta im Nationalrat zur Abstimmung gelangt – vorher treten die Investitionsgerichte nicht in Kraft – ist offen.

Hofer hat bereits angekündigt, im Falles eines Wahlsiegs Ceta nicht ohne vorherige Volksabstimmung zu unterzeichnen. Aber auch der Grüne Kandidat Alexander Van der Bellen würde Ceta "derzeit nicht unterschreiben", wie sein Büro erklärt. Er teile die Bedenken von Gewerkschaftern, Konsumentenschützern und NGOs. Im Falle eines Sieges will er "sorgsam prüfen", ob die Kritikpunkte "zufriedenstellend ausgeräumt worden sind oder nicht". Eine Frage werde sein, "ob die Ceta-Schiedsgerichte mit der österreichischen Rechtsordnung vereinbar sind".

Könnte an Belgien scheitern

In letzter Minute scheitern könnte Ceta an Belgien: Am Montag war nicht klar, wie die Föderalregierung das Nein von Regionalregierung und -Parlament in der Wallonie "umdreht". Ein Treffen aller Regionenchefs brachte kein Ergebnis. Außenminister Didier Reynders zeigte sich dennoch optimistisch, dass etwas gelingt, man arbeite intensiv an einer Lösung mit der EU-Kommission. Vermutlich wurde am Rande der Budgetdebatte ein Kompromiss erzielt. (Thomas Mayer, Günther Oswald, 17.10.2016)