In dem betreffenden Pflegeheim arbeiten 90 Pflegekräfte und es gibt 114 Betten. (Symbolfoto)

St. Pölten / Wien – Die Ermittlungen in einem Pflegeheim im Bezirk St. Pölten standen am Mittwoch erst am Anfang. Doch was bereits bekannt war, ließ wohl nicht nur den privaten Betreiber der Pflegeeinrichtung in Niederösterreich "sehr entsetzt und schockiert" zurück, wie dessen Sprecher Christian Zwittnig sagte.

Einem Bericht der Zeit im Bild 2 zufolge wurden dort Menschen, die sich nicht artikulieren können, misshandelt. Einem Patienten soll Kot in den Mund gesteckt worden sein, es soll ätherischer Alkohol auf Genitalien und Augen verrieben und einer Frau Haarspray in Gesicht und Mund gesprüht worden sein.

Zwittnig zufolge hatte eine Mitarbeiterin Freitagabend einen Misshandlungsverdacht gemeldet. Zwei betreffende Kollegen, die am Wochenende Dienst gehabt hätten, seien sofort freigestellt worden. Dann habe man Mitarbeiter befragt und aufgrund des sich erhärtenden Verdachts wegen "schweren Fehlverhaltens" am Montag vier Mitarbeiter entlassen und Anzeige erstattet. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Verdacht des Quälens Wehrloser

Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass der Verdacht des Quälens und Vernachlässigens wehrloser Personen im Raum stehe. Weitere Details seien noch Gegenstand der Erhebungen. Das Landeskriminalamt Niederösterreich ermittle, erläuterte Behördensprecherin Michaela Obenaus. Sie rechnet Anfang nächster Woche mit ersten Ergebnissen. Unklar war am Mittwoch noch, wie viele Personen Opfer von Misshandlungen waren und seit wann sie gequält wurden.

Das betreffende Pflegezentrum hat laut Zwittnig 114 Betten und rund 100 Mitarbeiter, von denen dem Sprecher zufolge 90 in der Pflege tätig sind. Die vier Beschuldigten sollen in einer von drei Stationen des Pflegeheims tätig gewesen sein. "Wir wollen so offen und transparent, wie es geht, damit umgehen", sagte der Sprecher. Angehörige von im Heim Betreuten seien informiert worden.

Einen Verdacht melden

Auch dem niederösterreichischen Patientenanwalt Gerald Bachinger wurde der Fall gemeldet. Bachinger geht hier nicht von Personalmangel aus, fordert aber für den Pflegebereich generell, die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit zu hinterfragen. Im Gesundheitssystem habe sich das System Cirs (Critical-Incident-Reporting-System) bewährt, das anonymes Melden eines Verdachts auf falsche Handlungen ermögliche. Etwas Ähnliches, so "ein erster Gedanke", könne auch im Pflegebereich hilfreich sein.

Kommissionen der Volksanwaltschaft prüfen regelmäßig Pflegeeinrichtungen. Jene nun im Fokus stehende wurde heuer laut Volksanwalt Günther Kräuter noch nicht besucht. Kräuter fordert bundesweit im Pflegebereich Verbesserungen in der Gewaltprävention, in der Aus- und Weiterbildung sowie bei der Supervision des Personals. Landesverantwortliche müssten "viel mehr Augenmerk darauf legen", sagte Kräuter. (Gudrun Springer, 20.10.2016)