Wie jeden Herbst ist die Frankfurter Bevölkerung auch dieses Jahr wieder aufgerufen, ihr beliebtestes "Wasserhäuschen" zu küren. Es handelt sich dabei um "Trinkhallen", in denen man allerlei Dinge des täglichen Bedarfs wie Alkohol, Tabak, aber auch Lotto- und Fahrscheine erstehen und notfalls auch gleich konsumieren kann.

Favorit sei heuer, wie man aus zuverlässiger Quelle hört, das Venus-Eck unter der Casella-Brücke. Ein Geheimtipp nicht nur bei den Fans des Drittligisten FSV Frankfurt, die an den dortigen Stehtischen ihre spielfreie Zeit verbringen.

Weniger venusisch geht es am Eingang der Buchmesse, wo sich die Vertreter der "Kreativ- und Kulturwirtschaft" um den Einlass balgen, und in den Messehallen zu. Die Organisatoren haben sich nämlich entschlossen, wieder einmal daran zu erinnern, dass es hier nicht nur ums Geschäft, sondern auch um die Macht des Wortes und seine Freiheit gehen könnte.

So forderte etwa der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, in seiner Rede am Eröffnungsabend einen "Aufstand der Anständigen" gegen den zunehmenden Populismus. Wobei es mit den Anständigen, wie wir wissen, so eine Sache ist.

Freiheit des Wortes

Schon bei der Eröffnungspressekonferenz hatte Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, seinerseits postuliert: "Die Freiheit des Wortes ist für uns ein Menschenrecht und nicht verhandelbar. Doch die Politik schweigt, schaut zu und handelt nicht." Ob er damit auch Schulz meinte?

Gemünzt war Riethmüllers Sager auch auf den türkischen Präsidenten und dessen eigenwillige Interpretation der Pressefreiheit. In einer Rede am Eröffnungsabend legte Riethmüller dann nach, indem er einen Brief der in Istanbul inhaftierten Autorin Asli Erdogan vorlas. Sein Inhalt: "Hinter Steinen, Beton und Stacheldraht rufe ich (...) zu euch: Hier in meinem Land lässt man mit einer unvorstellbaren Rohheit das Gewissen verkommen. Dabei wird gewohnheitsmäßig und wie blind versucht, die Wahrheit zu töten."

Gleichzeitig war der Presse zu entnehmen, dass das in Offenbach ansässige Unternehmen World Media die Print-Deutschlandausgabe der regierungskritischen türkischsprachigen Zeitung Zeman einstellt. Unter anderem sei Werbekunden und Lesern des Blattes gedroht worden, in der Türkei – wo die Regierung Zeman schon geschlossen hat – keine Geschäfte mehr machen zu dürfen. (Stefan Gmünder aus Frankfurt, 20.10.2016)