In einer Wohnanlage der Neuen Heimat OÖ, geplant von Architekt Reinhard Drexel, gibt es für die Mieter "hängende Gärten", also von außen kaum einsehbare private Wohnungsgärten.

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Ein ähnliches Projekt gibt es auch in einem GWG-Projekt.

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Die zehn Wohnprojekte der Grünen Mitte orientieren sich weg von Bahn- und Straßenlärm hin zum ruhigen Innenhof.

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Bei der Grünen Mitte in Linz soll nicht nur der Park, das 14.000 Quadratmeter große Herzstück des Projekts, grün sein. Die Natur soll sich auch auf Fassaden und Balkonen der seit 2012 hier entstehenden zehn Objekte mit rund 800 Wohnungen von sieben Bauträgern in Form von hängenden Gärten wiederfinden, so das ursprüngliche Ziel für das Linzer Großprojekt.

Den Bosco Verticale – einen begrünten Wohnturm in Mailand – dürfe man sich auf dem Areal des ehemaligen Linzer Frachtenbahnhofs natürlich nicht erwarten, sagt Robert Oberleitner, Geschäftsführer der Neuen Heimat Oberösterreich.

Diese hat hier ein Projekt mit 86 Wohnungen geschaffen. Vor einigen Monaten sind die ersten Mieter eingezogen. "Jede Wohnung verfügt über eigene Gartenbereiche, die man selbst gestalten kann", sagt Oberleitner. Er glaubt, dass diese von außen nicht einsehbaren privaten Wohnungsgärten ein Anreiz für viele waren, herzuziehen.

Neues Regelwerk

"Die Fassadenbegrünung war anfangs wichtig, rückte aber dann in den Hintergrund", sagt Andreas Dworschak vom Linzer Architekturbüro Archinauten, das einen Wohnbau für die Baureform Wohnstätte (BRW) geplant hat: "Dafür hätte man ein Sonderbudget gebraucht."

Denn 2015 trat mit dem Standardausstattungskatalog "Wege zur Wirtschaftlichkeit" ein neues, vieldiskutiertes Regelwerk für den sozialen Wohnbau in Oberösterreich in Kraft. Grüne Fassaden werden nun nicht mehr genehmigt, bestätigt BRW-Vorstand Roland Hattinger, der den Katalog dennoch als "wichtiges Instrument für den leistbaren Wohnraum" erachtet. Das zweite, noch in Bau befindliche Projekt der BRW wird ohne vertikale Begrünung auskommen.

Auch ökologische Materialien wie beispielsweise Hanfdämmung seien im engen Kostenkorsett nicht möglich, klagt Architekt Dworschak. "Das Thema hier ist leistbares Wohnen", erwidert Wolfgang Pfeil, Geschäftsführer der GWG, die in der Grünen Mitte drei Wohnbauten errichtet hat. Der jüngste wurde heuer bezogen.

Mit Nachhaltigkeit könne man es auch übertreiben, meint der GWG-Chef: Bei vielen heute zur Verwendung kommenden nachhaltigen Materialien wisse man noch gar nicht, wie diese in 15 Jahren aussehen. "Und wir haben im Wohnbau einen Wärmedämmungsgrad erreicht, den man nicht mehr erhöhen sollte", so Pfeil.

56 Meter hoher Wohnturm

"Es schadet ja nicht, Visionen zu haben", meint der Linzer Architekt Franz Kneidinger, der in der Grünen Mitte einen Wohnbau für die OÖ Wohnbau plante. Zwar sei nachhaltiges Bauen wichtig. Mehrkosten würden sich aber am Ende auch in den Mieten widerspiegeln: "Es nützt nichts, wenn wir ganz viele Passivhäuser planen, die sich am Ende niemand leisten kann." Kritikern der Grünen Mitte rät er dazu, sich ein Foto vom Frachtenbahnhof anzuschauen: "Jetzt ist es dort im Gegensatz zu damals grün."

"Man kann die Ökologie eines Gebäudes nicht nur an den Materialien festmachen", sagt auch der Architekt Jörg Stögmüller. Sein Büro hat den 56 Meter hohen Wohnturm geplant, der als Abschluss der Grünen Mitte bis 2019 entstehen wird. Im Sommer wurde er vom Linzer Beirat für Stadtgestaltung genehmigt.

Die entstandenen Häuser wurden mindestens im Niedrigenergiestandard gebaut, betont Stögmüller: "Und schon allein die innerstädtische Lage und die Wege, die dadurch im Vergleich zu Wohnungen am Stadtrand wegfallen, sind ein wichtiger ökologischer Faktor."

Außerdem würde die Grüne Mitte den Bewohnern durch ihre Freiflächen eine hohe Aufenthaltsqualität mitten in der Stadt bieten. Dadurch würden Wege ins Grüne in der Freizeit eingespart.

Grüner Daumen und viel Zeit

Um die Grüne Mitte auf der ehemaligen Industriebrache wirklich grün werden zu lassen, sind nun auch die Bewohner gefordert. Im Gegensatz zum eingangs erwähnten Mailänder Bosco Verticale ist jeder Mieter für sein Fleckchen Grün selbst verantwortlich.

Trotz herbstlicher Temperaturen sieht man nun schon vielerorts über das Balkongeländer wuchernde Pflanzen, am Geländer befestigte bunte Blumentöpfe und – etwa bei einem GWG-Projekt – kleine, gepflegte Gartenflächen auf Balkonen und Loggien. Eine Bewohnerin wintert ihren kleinen Garten ein und reißt verwelkte Tomatenstauden aus: "Eine so gute Ernte wie heuer hatte ich überhaupt noch nie", erzählt sie.

Die Zeit wird zeigen, wie grün das Linzer Großprojekt am Ende wird. Zehn bis 15 Jahre wird es dauern, glaubt Architekt Stögmüller. Dann werden die neben den großen Wohnbauten noch vergleichsweise mickrig wirkenden Bäume jene Größe haben, die die große Freifläche in der Mitte tatsächlich zum Park werden lässt. (Franziska Zoidl, 27.10.2016)