Die langsam fortschreitende "Schüttellähmung" betrifft als neurologische Erkrankung vor allem die sogenannten Basalganglien – jene Gehirnbereiche, die für die Kontrolle menschlicher Bewegungsabläufe zuständig sind. Der britische Neurologe Sir William Richard Gowers illustrierte 1886 im "Manual of Diseases of the Nervous System" die Parkinson-Krankheit.

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In einzelnen Momenten ist es gerade so als würde der Körper sekundenlang gefrieren, unfähig eine beabsichtigte Bewegung auszuführen. Menschen mit der umgangssprachlich auch als Schüttellähmung bezeichneten neurodegenerativen Erkrankung Parkinson haben mit massiven und fortschreitenden Bewegungseinschränkungen zu kämpfen. Sie beginnen zu zittern und müssen sich im täglichen Leben mit Haltungs- und Balancestörungen herumschlagen.

Die Hauptursache sehen Forscher im Absterben von Nervenzellen einer Struktur im Mittelhirn, die den für die Bewegungssteuerung wichtigen Botenstoff Dopamin produzieren. Bislang werden Parkinson-Patienten mit einer medikamentösen Dopaminersatztherapie behandelt. Doch L-Dopa und andere Arzneimittel lassen in ihrer Wirkung nach einigen Jahren nach. Und: Eine derartige Therapie setzt nicht an der Wurzel des Übels an.

Kleines Protein mit fataler Wirkung

Eventuell kommt nun Bewegung in die Erforschung einer Erkrankung, in der gerade alltägliche Bewegungen zum Problem werden. In den letzten Jahren hat sich unter Forschern der Verdacht erhärtet, was letztlich so toxisch auf die Nervenzellen wirkt: Ähnlich wie bei Alzheimer lagern sich falsch gefaltete Proteine im Zentralen Nervensystem ab. Bei Parkinson ist der Übeltäter Alpha-Synuclein, ein kleines, lösliches Protein, das möglicherweise die Dopamin-Ausschüttung reguliert.

"Vereinfacht ausgedrückt verklumpt sich Alpha-Synuclein bei den Patienten in Dopamin produzierenden Nervenzellen in abnormer Weise", sagt der Parkinson-Experte Andres Ceballos-Baumann, Chefarzt der Schön Klinik München-Schwabing. "Die Zelle ist überfordert mit der Entsorgung dieser krankhaften Eiweißablagerungen und stirbt ab." Da sich die Verklumpungen kontinuierlich ausbreiten, können sie allmählich ganze neuronale Netzwerke befallen und diese unwiderruflich schädigen.

Immuntherapie gegen Abbau von Nervenzellen

Forscher wollen daher den Verklumpungen mit einer Immuntherapie zu Leibe rücken. "Mit der Immuntherapie soll der Krankheitsprozess durch den Organismus verlangsamt und im besten Fall aufgehalten werden", erklärt Ceballos-Baumann. Grundsätzlich schlagen Forscher hier zwei Wege ein. Die erste Strategie ist die aktive Immunisierung. Durch eine Impfung sollen sich im Organismus Antikörper gegen das Protein bilden. Man mobilisiert also das eigene Immunsystem im Kampf gegen die Verklumpungen.

In Studien mit genetisch veränderten Mäusen erwies sich die Strategie als vielversprechend. Es bildeten sich nicht nur Antikörper, die an das Alpha-Synuclein banden. Bei den Tieren gingen auch die Ablagerungen des Proteins in Nervenzellen zurück und noch wichtiger – der Abbau von Nervenzellen. Das wirkte sich zudem positiv auf die motorischen Fertigkeiten der Nager aus.

Impfung für den Menschen

An Patienten mit frühem Parkinson hat das Wiener Biotechnologie-Unternehmen AFFiRiS in einer kleinen Studie einen Impfstoff über zwölf Monaten auf Sicherheit und Verträglichkeit getestet. Die abgeschlossene, aber noch nicht in einem Fachmagazin veröffentlichte Studie habe keine größeren Nebenwirkungen des Impfstoffs gezeigt, heißt es vonseiten des Unternehmens. Man habe bei 50 Prozent der geimpften Probanden durch die Immunisierung erzeugte Antikörper im Blut festgestellt, außerdem in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit. Eine weitere unveröffentlichte Studie zur Langzeitverträglichkeit über ein zusätzliches Jahr hinweg mit den gleichen Probanden und einer einzelnen Auffrischungs-Impfung kam zu ähnlichen Ergebnissen.

"Ein Abfangen von überschüssigen Alpha-Synuclein mittels vom Organismus produzierten Antikörpern ist theoretisch denkbar", sagt Andres Ceballos-Baumann. "Allerdings ist eine solche Impfung bei einer neurodegenerativen Krankheit wie Parkinson viel komplexer als bei Infektionskrankheiten, bei denen Impfungen schon seit langem aus dem klinischen Alltag nicht mehr wegzudenken sind." Problematisch sei etwa, was passiere, wenn die Antikörper außerhalb des Gehirns wichtiges Alpha-Synuclein aufräumten.

Passive Immuntherapie

Die zweite Strategie, auf die Forscher im Kampf gegen Parkinson zurückgreifen, ist die passive Immuntherapie. Hierbei injizieren sie Patienten intravenös synthetisch hergestellte Antikörper gegen die Proteinablagerungen. Der große Vorteil: Man kann die Dosierung reduzieren oder die Behandlung ganz stoppen, sobald Nebenwirkungen auftreten. In Kooperation mit dem Pharmakonzern Roche erprobte die in Irland ansässige Biotechnologiefirma Prothena Antikörper an gesunden Probanden.

Die Ergebnisse stellte die Firma 2015 auf einer Fachkonferenz vor. Die Methode erwies sich laut Angaben der Forscher des Unternehmens nicht nur als sicher und gut verträglich, die Injektionen verringerten auch das Vorkommen von Alpha-Synuclein im Blut um mehr als 90 Prozent.

Ein echter Nachweis der Wirksamkeit steht aber noch aus, darauf war die Studie zur Sicherheit und Verträglichkeit nicht angelegt. Das betonen auch die Neurowissenschaftler Sonia George und Patrik Brundin vom amerikanischen Van Andel Research Institute in einer Übersichtsarbeit im Fachblatt "Journal of Parkinson's disease", die im Jahr 2015 erschienen ist: "Es muss sich erst noch zeigen, ob diese Antikörper auch tatsächlich die Level von Alpha-Synuclein im Zentralen Nervensystem beeinflussen." (Christian Wolf, 27.10.2016)