Die Wissenschafter schufen mit ihrem Verfahren Nanosäulen mit unterschiedlichen Höhen (oben: 350 Nanometer, untern: 1.400 Nanomater). Je höher die Säulen waren, desto größer war auch die Wellenlänge des Lichts, für das die beste Transmission erzielt wurde.

Foto: MPI für Intelligente Systeme

Mit und ohne Oberflächenbearbeitung: Oben wurde unter einem Beobachtungswinkel von 0 Grad aufgenommen, unten unter einem Winkel von 30 Grad. Transmission (oben) und Reflexion (unten) im Vergleich.

Foto: Zhaolu Diao

Stuttgart – Linsen, Objektive, Brillengläser oder auch Laser sind in der Regel mit einer Antireflexschicht versehen. Solche Schichten haben oft den Nachteil, dass sie nur innerhalb enger Wellenlängenbereiche optimal wirksam sind. Forscher stellten nun eine alternative Technologie vor. Anstatt eine Beschichtung aufzubringen, bearbeiten sie die Oberfläche selbst. Im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren können sie so den gewünschten Effekt über einen größeren Wellenlängenbereich erzielen, und das bei besonders großer Lichtdurchlässigkeit.

Die Augenoberflächen von Nachtfaltern sind so beschaffen, dass sie einfallendes Licht praktisch nicht reflektieren. Das schützt das Insekt bei Nacht davor, entdeckt zu werden. Weniger Reflexion bedeutet außerdem, dass das einfallende Licht optimal für das Sehen genutzt werden kann. Forscher vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme haben sich das natürliche Vorbild genau angesehen: "Die Augenoberfläche ist von dicht nebeneinander stehenden, säulenartigen Strukturen übersät, die nur wenige Hundert Nanometer hoch sind und nach oben hin spitz zulaufen", erklärt Zhaolu Diao. Die Säulen bewirken, dass sich der optische Brechungsindex mit Eindringen in diese Grenzschicht kontinuierlich ändert – ausgehend von dem der umgebenden Luft bis hin zu dem des eigentlichen Materials der äußeren Augenschicht.

Um das Prinzip zu imitieren, suchten die Wissenschafter nach Verfahren, die glatte Materialoberflächen in eine Art Nanosäulenlandschaft verwandeln. Dabei entwickelten sie einen zweistufigen Prozess. Im ersten Schritt scheiden sie auf der Oberfläche Goldpartikel in räumlich regelmäßigen Mustern großflächig ab, und zwar so gleichmäßig, dass die Goldpunkte den Knotenpunkten einer Wabenstruktur entsprechen. Im zweiten Schritt, einem chemischen Ätzprozess, dienen diese Metallinseln als Maske: Unterhalb der Goldpunkte wird kein Material weggeätzt, so dass die gewünschten säulenartigen Figuren stehen bleiben − und das immerhin auf Flächen von rund zwei mal zwei Zentimetern.

Höhere Säulen, größere Wellenlängen

Damit der Effekt auch für längerwelliges, nahes Infrarot-Licht (NIR) wirksam wird, mussten die Forscher für höhere Nanosäulen sorgen. Dies gelang ihnen, indem die abgeschiedenen Goldinseln vergrößerten. "Das hat es uns schließlich ermöglicht, den anschließenden Ätzprozess tiefer in das Material hineinwirken zu lassen", sagt Diao. Die Forscher schufen damit Säulen bis zu einer Höhe von rund 2.000 Nanometern – viermal so hoch wie bisher.

Die Wissenschafter testeten diverse Säulenhöhen im Experiment. Dabei bestätigte sich: Je höher, desto größer war auch die Wellenlänge des Lichts, für das die beste Transmission erzielt wurde. Mit 1,95 Mikrometer hohen Säulen etwa lag dieses Transmissionsmaximum bei fast 2400 Nanometern und damit deutlich im NIR-Bereich. Zugleich erhöhte sich mit der Säulenhöhe der Wellenlängenbereich, für den Transmissionsgrade von bis zu 99,8 Prozent erzielt wurden. Bei den 1,95 Mikrometer hohen Säulen erstreckte sich diese hohe Durchlässigkeit (> 99,5 Prozent) auf einen Spektralbereich von rund 450 Nanometern. Bei kleineren Strukturen war dies dagegen nur für ein rund 250 Nanometer breites "Fenster" der Fall.

Mögliche Tarnanwendungen

Hohe Transmission, einhergehend mit stark reduzierter Lichtreflexion – das sorgt auch für mögliche "Tarnanwendungen", denn ein entsprechend behandeltes Material unterscheidet sich optisch praktisch nicht mehr von seiner Umgebung. Die Umrisse eines vor eine Kamera gehaltenen, quadratischen Quarzglas-Stücks waren nach dem Ätzprozess weder mit bloßem Auge noch mit der Kamera zu erkennen. Deckten die Stuttgarter Forscher mit ihrem präparierten Quarzglas dagegen eine Abbildung ab, so ließ sich diese auch schräg von oben noch einwandfrei erkennen. Quarzglas mit unbehandelter Oberfläche reflektierte das einfallende Licht dagegen so stark, dass bereits bei einem Blickwinkel von 30 Grad nichts mehr zu erkennen war.

Zunächst erprobten die Forscher ihr Verfahren modellhaft an Quarzglas. Künftig wollen sie das Vorgehen aber auch an optischen Gläsern und an Saphir testen. Sollte sich die Methode auch dafür bewähren, dürfte dies vielfältige Einsatzmöglichkeiten eröffnen: Viele Bereiche würden davon profitieren, wenn Bauteile über einen größeren Wellenlängenbereich kaum reflektieren und dafür bis zu 99,8 Prozent des eingestrahlten Lichts durchlassen. "Ein wichtiges Gebiet wären ganz sicher Hochleistungslaser, die im infraroten Lichtbereich arbeiten", sagt Zhaolu Diao. Weitere Anwendungen könnten Linsen, Objektive oder auch Bildschirme sein. "Das Verfahren funktioniert nicht nur auf ebenen Flächen, sondern auch bei gebogenen Oberflächen", so Diao. (red, 1.11.2016)