Trump machte es sich einfach: Sprachforscherin Wehling.

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Wien – Viel Zeit hat Elisabeth Wehling an diesem Mittwochmorgen nicht: Gerade 30 Minuten beim 18. österreichischen Journalistinnenkongress hat die deutsche Linguistikforscherin Zeit für ihren Vortrag, danach muss sie weiter. Groß ist die Nachfrage nach ihrer Einschätzung am Tag nach der US-Wahl. Ihr Buch über Politisches Framing macht derzeit die Runde in der Medienbranche. Darin analysiert sie Prozesse unbewusster Meinungsbildung.

Trumps konkrete Bilder

"Einfache Sprache und einfache Worte haben die meiste Bedeutung für das Gehirn. Donald Trump benutzte eine sehr einfache Sprache. Hillary Clinton konnte da nicht mithalten", sagt Wehling. Dass Medien Trump hinaufgeschrieben haben, sei "zu kurz gegriffen". Das Wahlergebnis reflektiere, "dass die Clinton-Kampagne und das ganze progressive Amerika ein Sprachproblem" hätten. Dahinter stehen politische "Frames", also Deutungsrahmen, die im Gehirn entstehen und durch Sprache aktiviert und gefestigt werden. Clinton habe zu wenige Frames gesetzt, Trump "sehr konkrete Bilder" entworfen, etwa jenes der Mauer an der Grenze zu Mexiko.

Journalisten empfiehlt Wehling sorgfältigen Umgang mit Sprache. Das Wort "Flüchtlingswelle" zum Beispiel erzeuge im Gehirn das Bild, dass "Flüchtlinge Wassermassen sind und eine Bedrohung darstellen". Wehling: "Nennen Sie es 'Flüchtlingskrise', 'Vertreibungskrise' oder 'Aufnahmekrise' – jede der drei Versionen nimmt eine eigene Perspektive ein."

Wodak wirft Medien Skandalisierung vor

Nicht die Mediengesellschaft habe den Präsidenten Donald Trump ermöglicht, sondern "the angry white middle class and working class", sagt Sprachforscherin Ruth Wodak. "Wir verharmlosen, wenn wir Demagogie und Rechtspopulismus nur den Medien zuschreiben." Ganz aus der Verantwortung will Wodak Medien aber nicht nehmen, denen sie Skandalisierung vorwirft: "Wenn man die Schlagzeilen beherrschen will, muss man einen immer noch schrecklicheren Skandal provozieren. Das haben wir im US-Wahlkampf erlebt."

Es habe sich gezeigt, dass "nicht Fakten, sondern Gefühle über Fakten" bei Wahlen die entscheidende Rolle spielen, sagt Profil-Redakteurin Ingrid Brodnig. Wodak sieht dahinter die "Arroganz der Ignoranz", dass "Fakten nicht mehr zählen". Soziale Medien würden diese Tendenz insofern verstärken, als sie "das bestätigen, was wir ohnehin schon wissen", sagt Wodak. Cathrin Kahlweit, Mitteleuropa-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, nennt das "Echowelt", hält aber dagegen: "Die Leute sind erreichbar für Fakten, nur die Welt ist so kompliziert geworden, dass wir sie nicht mehr verstehen." Trumps Sieg sieht sie als "Sieg des Patriarchats".

Praktischen Rat für ob des Trump-Sieges verzweifelte Journalistinnen hat Maria Rauch-Kallat, Ex-Frauenministerin (ÖVP) und Schirmherrin des Kongresses: "Aufstehen, Krone richten, weitergehen." (prie, 9.11.2016)