Eine Niereninsuffizienz kommt schleichend. In Zukunft sind immer mehr Menschen betroffen.

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Eine schlechter werdende Nierenfunktion spürt man nicht, aber sie hat katastrophale Folgen, wie Gerhard Wirnsberger von der Klinischen Abteilung für Nephrologe am Uniklinikum in Graz der APA schilderte. Geschätzte zehn Prozent der Menschen in der EU sind von einer chronischen Nierenkrankheit (Chronic Kidney Disease, CKD) betroffen – doch die wenigsten wissen um den schleichenden Verlust der Organfunktion. Mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der Betroffenen an. Den Verlauf im hohen Alter und eine verbesserte Früherkennung mittels Biomarker untersuchen Grazer Mediziner in einem EU- Projekt.

Die Dialyse bzw. eine Nierentransplantation sind Endpunkte der sogenannten Niereninsuffizienz, die zwar häufig auftritt, aber allzu oft erst spät erkannt wird, weil sie lange ohne auffällige Symptome verläuft.

Personen über 65 Jahre, mit Diabetes und Hypertonie (Bluthochdruck), Raucher und Übergewichtige sind besonders gefährdet. "Wir schätzen daher, dass die Nierenfunktion bei jedem vierten bis fünften über 65 Jahre und bei jedem zweiten bis dritten über 75 Jahre signifikant eingeschränkt ist", sagt Wirnsberger.

Bewusstsein entwickelt sich

"Durch die Häufigkeit der Hauptrisikofaktoren und dadurch, dass wir immer älter werden, droht immer mehr Menschen künftig die Dialyse", so der Grazer Mediziner und Gerontologe hervor. Das werde auch massive finanzielle Auswirkungen auf das Gesundheitssystem haben. Doch anders als beispielsweise in den Beneluxländern, Spanien oder auch Italien beginne sich das Bewusstsein um die Verbreitung und die Bedeutung als "stiller Killer" erst langsam zu entwickeln.

Wirnsberger arbeitet in einem europäischen Team von Wissenschafter intensiv an der Verbesserung des Screening der chronischen Nierenkrankheit bei alten Menschen. Die frühestmögliche Identifizierung der Risikopersonen und entsprechende Interventionen seien entscheidend für den weiteren Verlauf der Erkrankung. "Wir wissen nicht, ob die Bestimmungsmethoden, die uns zur Verfügung stehen, auch adäquat sind für ältere Patienten", schilderte der Grazer Experte.

Einfluss auf die Lebensqualität

Mithilfe des Projektes SCOPE (Screening or CKD among older people across Europe) will man bestehende Methodiken für die Suche nach CKD unter älteren Menschen bewerten. "Es geht nicht nur um die Nephrologie. Wir versuchen die Erkrankung, ihre Ursachen und Auswirkungen ganzheitlich, aus geriatrischer Perspektive, zu sehen", erläutert Wirnsberger. Dazu will man über eine Vielzahl von Parametern an europaweit 3.500 Patienten über 75 erheben, wie stark die Nierenfunktion innerhalb von zwei Jahren abnimmt, und welchen Einfluss die Erkrankung tatsächlich auf die Lebensqualität hat.

In der Steiermark werden dazu 350 Personen in die Studie aufgenommen. Im Vergleich mit den umfangreichen Daten will man auch nach Biomarkern suchen, die die Diagnose der Erkrankung insgesamt verbessern. (APA, 10.11.2016)