Wien – Die wundersamen Verbrauchsangaben von Plug-in-Hybridfahrzeugen lassen nun einmal wirklich keinen Rückschluss auf den Spritdurst eines Autos im wahren Leben zu. Im Grunde stehen die Ziffern wie Fantasiezahlen in den Prospekten. Dagegen sind die Normverbrauchsangaben von herkömmlichen Diesel- und Benzinautos geradezu wirklichkeitsnah, zumindest erlauben sie eine recht gute Einschätzung der Wirklichkeit, wenn man sie mit einer Art Realverbrauchsfaktor versieht.

Als ob Strom nichts kosten würde

Wer ein Plug-in-Hybridauto bewegt, verliert hingegen sehr schnell komplett den Überblick in der Energiebilanz, vor allem dann, wenn er es erfindungsgemäß bewegt und auch Netzstrom dazu lädt. Die Norm tut ja so, als ob der aus dem Netz geladene Strom gratis wäre und der Kohlendioxid-Ausstoß gleich null. Stromverbrauch und Spritverbrauch verfließen so sehr ineinander, dass man am Ende des Tages weder weiß, wie viel man verbraucht hat, noch, wie viel das jetzt gekostet haben könnte.

Toyota ist mit dem Prius der Hybrid-Pionier.
Foto: Fischer

Wir befinden uns zweifellos noch in der Frühzeit der Plug-in-Epoche. Und abgesehen davon, dass niemand sagen kann, wie lange die überhaupt dauern wird, können wir doch bei näherem Hinsehen einige Fallen der Technologie erkennen, aber auch kluge und gute Ansätze.

Hybrid-Pionier Toyota

Ausgangsposition ist die Hybridtechnik von Toyota. Der Pionier hat vor zwanzig Jahren die Latte gelegt. Honda war auch dabei, jedoch eher halbherzig. Der heikle Punkt ist aber, Toyota hat gleich das ganze Auto ein bisschen neu erfunden, und mit dieser Charakteristik konnte man zwar Amerikaner in Massen begeistern, fahraktive Europäer fanden zu den etwas schaukeligen Autos mit brüllendem Motor, sobald man Leistung einforderte, keinen fröhlichen Zugang. Trotzdem Hut ab vor der Sparmeister-Leistung! Mit sehr komplexer Verschränkung von Benzin- und Elektromotor schaffte man einen Benzinverbrauch in der Stadt von fünf bis sechs Litern auf 100 km. Das blieb bis jetzt ungeschlagen.

Der Opel Ampera war der erste Plug-in-Hybrid.
Foto: Guido Gluschitsch

Dann kam Opel/Chevrolet mit dem Ampera/Volt – mit der Behauptung, dies wäre ein Elektroauto mit Range Extender. In Wirklichkeit war es der erste Plug-in Hybrid, der durchaus auch in der Lage war, mit direktem Durchtrieb vom Benzinmotor zu den Rädern zu fahren. Auch Hut ab! Tolle Ingenieursleistung, fällt letztlich aber unter Pionierschicksal, wurde nicht genug gewürdigt vom Publikum.

Ergebnis Plug-in-Vergleich: Volvo (V60 Twin Engine) und VW (Passat GTE) brav, Mercedes (C 350 e) und BMW (330e) hingegen nur geringe E-Reichweite weil mehr auf Boosten als auf Sparen getrimmt.
Foto: Rudolf Skarics

Jetzt wirklich: Plug-in-Hybrid. Im vergangenen Frühjahr waren in einem ersten direkten Vergleich zwischen VW Passat, BMW 3er, Mercedes C-Klasse und Volvo V60 durchaus markante Unterschiede festzustellen.

Auslegungsfrage

BMW und Mercedes zeigten geringe rein elektrische Reichweiten, gerade mal 20 km, zum einen Teil wegen kleinerer Batterien, zum anderen aber auch aufgrund ihrer sehr fahraktiven Auslegung. Das verlockt von vornherein nicht dazu, sparsam unterwegs zu sein. Das Ziel von nennenswerter Einsparungen wurde nicht wirklich erreicht, der Elektromotor schon sehr gerne wie ein Turbolader genutzt. Passat und Volvo hielten sich tapfer, sie fanden einen akzeptablen Kompromiss zwischen einer rein elektrischen Reichweite von über 40 km und ein bisschen Sparen im Hybridmodus.

Der Kia Optima Plug-in-Hybrid fährt fast 50 km elektrisch.
Foto: Kia

Jetzt kommen die Koreaner, Hyundai und Kia. Es war wohl zu erwarten, dass sie die Europäer und Japaner gleichermaßen als Vorbild nehmen – und auch den Spagat zwischen den teils widersprüchlichen Anforderungen schaffen würden.

Kia Optima Plug-Hybrid

Der direkte Vergleich des neuen Optima als Diesel-Kombi gegen Plug-in-Hybrid-Limousine brachte ein klares Statement der Koreaner: Der Benziner verbrauchte fast gleich viel Sprit wie der Diesel, nämlich rund 6,2 Liter auf 100 km im Schnitt, und zwar ohne äußere Stromzufuhr. Und das bei hohem Autobahnanteil. Dabei leistet der Hybridantrieb auf der Autobahn Schwerarbeit. Der Verbrenner treibt das Auto an und lädt gleichzeitig die Batterie nach, um dann mit Schwung bergab viele Kilometer elektrisch zu segeln.

Der Hyundai Ioniq Hybrid braucht praktisch nie über fünf Liter auf 100 km.
Foto: Hyundai

Die grundsätzliche technische Hardware-Architektur erinnert sehr an den europäischen Ansatz: Im Kern ein Automatikgetriebe mit Elektromotor statt Drehmomentwandler. Die Automatik sorgt auch dafür, dass der Motor nie ins Brüllen gerät.

Sinnvolle Lösung

Das Ergebnis: Trotz des hohen Gewichts aufgrund der großen Batterien, die auch noch eine rein elektrische Reichweite von fast 50 km erlauben, liegt der Benzinverbrauch des Kia Optima ohne äußere Stromzufuhr nicht wesentlich höher als beim kleineren, leichteren Sparweltmeister Prius. Das macht Sinn.

Während der Mercedes die Akkus lädt, kommt der Prius im Hintergrund ohne Plug-in aus.
Foto: Andreas Stockinger

Auch der den Kompaktwagen zuzurechnende Hyundai Ioniq in der Version mit reinem Hybridantrieb (es gibt ihn auch als reines Elektroauto und ab Mitte 2017 zusätzlich wahlweise als Plug-in Hybrid) ist nun in der Lage, den Hybrid-Toyotas echte Konkurrenz zu machen. Immer deutlich unter fünf Liter auf 100 km in der Stadt und auch auf der Autobahn nur durch ungestümer Fahrweise darüber zu kriegen. Das heißt, was Toyota wie eine Religion verkündet und auch vorangetrieben hat, wurde von den Europäern bis jetzt eher beobachtet und von den Koreaner eiskalt in die Gegenwart übertragen. Spätestens jetzt erkennt der widerspenstigste Zylinderfreak, dass die Elektrifizierung nicht aufzuhalten ist. (Rudolf Skarics, 14.11.2016)

Nachlese:

Test: Toyota RAV4-Hybrid

Test: Toyota Prius

Hyundai Ioniq, Kia Niro: Hand am Strome