Lacie ist in der Zwickmühle. Da gibt es dieses Superhaus – Bestlage, helle Räume, große Terrasse, weiße Ledersofas, Fitnessraum, blitzblanke Küche, goldene Armaturen! Ein Platz zum Bleiben und einer, der – wichtig! – sich im sozialen Netz gut macht, also herzeigbar ist und den eigenen Status erhöht. Denn Status ist in jener Gesellschaft, in der die erste von sechs Folgen der dritten Staffel von Black Mirror spielt, alles. Hier beginnt Lacies Dilemma.

Es geht um die Sterne: Lacie (Bryce Dallas Howard) muss ihren Status erhöhen. Sie würde viel dafür tun, doch die Umstände sind dagegen. Folge eins der dritten Staffel der Netflix-Serie "Black Mirror".
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"Geschichten, die aus heutiger Sicht utopisch anmuten, aber irgendwann passieren", sind Themen der Serie, sagt die Produzentin Annabel Jones. "Ich bin überzeugt, dass es so kommen wird", sagt Jones. "Wir sind kein Science-Fiction." Im Falle Lacies heißt das, dass sich alles um das Sammeln von Sternen dreht. Wer mehr hat, zählt mehr. Ein Chip macht das aktuelle Rating für jedermann sichtbar. Wer gut aussieht, sich artig benimmt und mit hochbewerteten Menschen kommuniziert, steigt, wer nicht, stürzt ab.

Lucy (4,1) braucht für ihr Haus 4,5 Sterne. Das Ziel scheint plötzlich greifbar, weil die Fünfstern-Freundin anruft und sie zur Fünfstern-Hochzeit einlädt. Lacie übt ihre Rede ("Ist die Träne zuviel?" ), packt den eierschalenfarbenen Koffer, streicht über ihr pfirsichfarbenes Kleid, lacht ihr einstudiertes Lächeln und macht sich auf den Weg, bereit für die Zieleinfahrt zum Glück.

Dass es anders kommt und die Wendung die arme Lacie erst an den Rand des Wahnsinns, schließlich aber eine Erkenntnis bringt, liegt in der Natur der Sache, liegt in der Natur von Black Mirror, der britischen Serie, die 2011 auf Channel 4 startete, von Netflix weiterentwickelt wurde und gerade wieder für Gesprächsstoff unter Freunden der vielschichtigen TV-Unterhaltung im Netz sorgt.

Facebook-Blase

Erfunden hat die Serie der Autor und Guardian-Kolumnist Charlie Brooker. In allen Folgen legt er die Idee einer von Technik beherrschten Welt vor, die genau deshalb so unheimlich wirkt, weil sie vorstellbar geworden ist. Die Stepford-Gesellschaft in der Folge Abgestürzt ist in Zeiten der Facebook-Blase, da sich manche menschliche Existenz freiwillig auf "Likes" reduziert, denkbar. "Wir leben in einer komischen Zeit", sagt Jones. "

Die Serie kratzt etwas an der Oberfläche der Nervosität, die wir alle spüren", sagt Brooker zum STANDARD beim Gruppeninterview in London. Als Kind habe er gerne Twilight Zone gesehen, sagt Brooker, die legendäre BBC-Mysteryshow, mit der Black Mirrorr tatsächlich oft verglichen wird. Brooker ist das nur Recht: "Sie verursachten damals oft einen öffentlichen Aufschrei. Alle waren verstört und irritiert. Wir wollten diese Stimmung auffangen, dabei unterhalten und eine starke Reaktion bei den Zuschauern auslösen."

Netflix US & Canada

Und so schauen Brooker und Jones voraus: gesundheitsschädigende Folgen von Virtual Reality, Angriffe auf Laptops der Menschen, Wellen populistischen Zorns, Liebe in unechten Welten: "Viele der Geschichten malen wir uns in schrecklichen Bildern aus. Aber wenn man nachdenkt, bemerkt man: Moment, das passiert genau jetzt", sagt Brooker.

Mit der Folge The Waldo Moment habe Black Mirror Donald Trump vorweggenommen, sagte Brooker nach der Wahl. Darin tritt ein Comedian in der Öffentlichkeit als animierter Bär auf und wird damit erfolgreicher Politiker, bevor alles ziemlich schief geht.

Channel 4

Waldo sei lose angelehnt an den britischen Populisten Boris Johnson, sagt Brooker. Den sieht er als eine Art "Quasi-Trump". Speziell beim Brexit stoßen Jones und Brooker mit ihren prognostischen Fähigkeiten aber an ihre Grenzen: Die Wirklichkeit sei oft schlimmer als jede Fantasie: "Wer hätte vor einem Jahr gesagt, dass es einen Brexit geben würde?", sagt Brooker. "Viele dachten beim Referendum, sie seien im 'schwarzen Spiegel'". (Doris Priesching, 15.11.2016)