Wenn es nicht klappen will: An der Med-Uni Innsbruck wird eine Anlaufstelle für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch eingerichtet.

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Bettina Toth (45) war leitende Oberärztin für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen in Heidelberg. Sie ist Mitglied der Leitlinienkommission der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Mutter zweier Kinder übernahm im Oktober den Lehrstuhl für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck.

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STANDARD: Immer wieder liest man von Frauen, die mit 52 noch schwanger werden. Inwieweit ist das Alter bei Kinderwunsch noch ein Thema?

Toth: Bei solchen Meldungen sollte das Ganze gesehen werden. Oft handelt es sich um Eizellenspenden im europäischen Ausland, dabei wird vermittelt, dass praktisch jede Frau auch mit 52 noch schwanger werden kann. Das ist problematisch.

STANDARD: Aber wäre eine Eizellenspende nicht die Lösung für Frauen, die erst später schwanger werden wollen?

Toth: Wir müssen uns darüber klar sein, dass ab dem 40. Lebensjahr das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und Frühgeburtlichkeit mit entsprechenden Folgen für das Kind zunehmen. Die Eizellenspende ist nicht die Lösung.

STANDARD: Welche Verantwortung trägt die Medizin beim Thema unerfüllter Kinderwunsch?

Toth: Vielleicht haben wir zu spät das Bewusstsein dafür gestärkt, dass Fruchtbarkeit endlich ist. Wenn man als Frauenarzt einer Patientin von über 30 Jahren ein Pillenpräparat verschreibt, muss man ihr sagen: Verhütung ist gut, aber bedenken Sie, dass es ab 35 schwierig wird.

STANDARD: Nimmt die Problematik unerfüllter Kinderwunsch zu?

Toth: Ja, und das hängt auch damit zusammen, dass in Österreich praktisch jedes Jahr das Alter der Erstgebärenden steigt. Daher ist es wichtig, dass die Reproduktionsmedizin schon frühzeitig hinzugezogen wird, um Frauen mit Kinderwunsch optimal zu betreuen. Was viele unterschätzen: Der zeitliche Druck kommt ja irgendwann auch noch als Problem hinzu. Vielen Frauen fehlt die Geduld, wenn sie erst mit 35 oder später noch ein oder zwei Kinder wollen.

STANDARD: Wie kann die Medizin hier helfen?

Toth: Wir haben in Heidelberg sehr eng mit Psychologen zusammengearbeitet, das will ich auch in Innsbruck etablieren. Denn es ist natürlich eine sehr belastende Situation. Meist besteht schon lange ein unerfüllter Kinderwunsch, der nicht selten mit Fehlgeburten einhergeht. Es ist daher wichtig, sich in die Lage dieser Frauen einzufühlen und sie dort abzuholen, wo sie stehen.

STANDARD: Fehlgeburten sind ein Tabuthema. Was kann man für Betroffene tun?

Toth: Wir werden ab Jänner strukturierte Sprechstunden für betroffene Frauen anbieten, in denen eine standardisierte Form der diagnostischen Abklärung und auch Therapie stattfinden – in enger Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten. Denn gerade bei Patientinnen mit Fehlgeburten ist man als Arzt verleitet, viele Medikamente zu verschreiben. Nach dem Motto: Das ist ja so schrecklich, und irgendetwas wird schon helfen. Doch internationale Studien sprechen dagegen. Es macht nur dann Sinn zu behandeln, wenn man auch eine entsprechende Diagnose hat.

STANDARD: Fehlgeburten sind traumatische Erlebnisse. Wie können Sie helfen?

Toth: Wichtig ist, die Patientinnen in ihrer Trauer abzuholen und diesem Gefühl auch Raum zu geben. Man muss das Leid ernst nehmen und eine gemeinsame Strategie entwickeln, damit umzugehen. Das wird in diesen Sprechstunden möglich sein.

STANDARD: An wen richtet sich das Angebot?

Toth: An Frauen, die zwei oder drei aufeinanderfolgende Fehlgeburten, einen sogenannten habituellen Abort, erlitten haben. Es ist wichtig zu bedenken, dass spontane Fehlgeburten sehr häufig vorkommen. Gut 30 Prozent aller Frauen, die schwanger werden wollen, sind betroffen. Wenn es nur einmal passiert, rate ich dazu, es einfach wieder zu versuchen. Denn wir sollten auch nicht übertherapieren.

STANDARD: Oft werden Fehlgeburten mit einer Schuldfrage verbunden. Was sind eigentlich die häufigsten Ursachen für einen Abort?

Toth: Die Schuldfrage ist hier kontraproduktiv. Eine Fehlgeburt wird nicht von der einen Tasse Kaffee zu viel ausgelöst. Meistens liegt es an einer chromosomalen Fehlverteilung beim Kind. Dann gibt es häufig Frauen, die in der Gebärmutter einen Polypen haben oder ein Bindegewebe- segel oder chronische Entzündungen. Auch Gerinnungsstörungen werden als Ursache international gerade stark diskutiert.

STANDARD: Können Sie Frauen mit Kinderwunsch allgemeine Tipps mitgeben, worauf sie gesundheitlich achten sollte?

Toth: Das ist vom Einzelfall abhängig. Aber Folsäure ist natürlich wichtig, weil das einen offenen Rücken beim Kind vorbeugt. Zudem ist ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel wichtig, und die Schilddrüse sollte normal arbeiten. Außerdem sollte das Körpergewicht optimal sein und der Zuckerstoffwechsel funktionieren. Und ich empfehle, Frauen mit Kinderwunsch dazu zu motivieren, einen BMI von etwa 25 zu haben. Weil das ganz entscheidend für den Verlauf der Schwangerschaft und die kindliche Prägung im Mutterleib ist. (Steffen Arora, 19.11.2016)