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Die Steuervorteile in anderen Ländern auszunutzen ist bei internationalen Konzernen Usus. Der EU entgehen dadurch jährlich Milliarden. Erste Verfahren gegen Apple laufen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, dass die Union im Kampf gegen diese Praxis unterstützt werden soll.

Foto: REUTERS/Robert Galbraith

Wien – Apple, Google, Starbucks und Co – die Steueroptimierungskünste dieser Konzerne haben für viel Aufsehen gesorgt. Sie könne jedenfalls den Frust jedes Cafébetreibers in Deutschland verstehen, der nebenan ein Starbucks hat, "wo man nicht weiß, ob der überhaupt irgendwo auf der Welt Steuern bezahlt", sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Samstag beim Landesparteitag der niedersächsischen CDU in Hameln. "Deshalb müssen wir die EU darin unterstützen, wenn sie versucht, bei Apple oder anderen großen internationalen Konzernen die Steuerfrage auf den Tisch zu legen." Es gehe aber nicht um Abschottung gegenüber diesen Konzernen, sondern um Transparenz, betonte Merkel.

In dieselbe Kerbe schlug Wifo-Chef Christoph Badelt am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". "Vom Steuerwettbewerb halte ich absolut gar nichts." In der unterschiedlichen Besteuerung sieht er den Grund für den "Zorn gegen die Konzerne". Dass manche Länder in der EU die Steuern für Unternehmen senken, hält er für "desaströs". Einzelne Staaten wie Irland, die Unternehmen mit besonders niedrigen Abgaben ins Land locken, hätten vielleicht für ein paar Jahre Vorteile. À la longue sei das aber fatal, "weil wir in der EU wieder eine Front aufmachen, wo wir nicht solidarisch sind", sagte der ehemalige Rektor der WU. Statt sich wechselseitig die Unternehmen abspenstig zu machen, solle Europa stärker partnerschaftlich agieren.

Effektive Steuerbelastung

Also ist zu differenzieren – denn es ist ja nicht so, dass die großen Konzerne gar keine Steuern zahlen. Die Frage ist nur, wo sie diese abführen. Wie es um die effektive Steuerbelastung der größten börsennotierten Unternehmen aussieht, hat die Security KAG, die Kapitalanlagegesellschaft der Grawe-Gruppe, untersucht. Dafür wurden die Unternehmen, die im Aktienindex MSCI-World notieren, als Basis herangezogen und die Besteuerung der Gewinne herausgefiltert. Andere Steuern wie etwa die Besteuerung des Faktors Arbeit oder die Umsatzsteuer wurden nicht einbezogen.

Das Ergebnis: Von den 1.637 im MSCI-World notierten Unternehmen konnte für 1.487 die Steuerrate ermittelt werden. Die mediane Steuerbelastung der weltgrößten Unternehmen lag 2015 demnach bei 28,57 Prozent und damit deutlich über dem globalen (23,87 Prozent) sowie dem OECD-Durchschnittswert von 24,86 Prozent.

166 Unternehmen fallen in die Kategorie "ultra-large-caps" – sie weisen eine Marktkapitalisierung von mindestens 50 Milliarden Dollar auf. Diese Konzerne hatten eine Steuerrate von im Schnitt 27,11 Prozent. Die 422 "large-caps" (Marktkapitalsisierung liegt zwischen 15 und 50 Milliarden Dollar) wurden mit 28,03 Prozent zur Kassa gebeten, die 660 "mid-caps" (fünf bis 15 Milliarden Dollar) mit 28,39 Prozent. Dass es sich die Großen richten können, stimmt laut den Studienautoren so nicht. Denn die effektive Steuerquote der wirklich Großen weise nicht wesentlich von den mittleren Segmenten ab. Fakt ist aber, dass die "smal-caps" (Marktkapitalisierung unter fünf Milliarden) mit 31,62 Prozent eine deutlich höhere Steuerrate haben.

Apple vor Berkshire Hathaway

Wer sind nun aber die weltgrößten Steuerzahler innerhalb der 100 größten MSCI-Unternehmen? Das Ranking führt – auch zur Überraschung der Studienautoren – Apple an, die im Vorjahr 19,12 Milliarden Dollar an Steuern abgeführt haben. Mit weitem Abstand folgt das Konglomerat von Investmentlegende Warren Buffet: Seine Berkshire Hathaway lieferte 10,5 Milliarden Dollar ab, Wells Fargo auf Platz drei zahlte 10,36 Milliarden Dollar. Microsoft belegt in diesem Ranking Platz zehn und führte 6,31 Milliarden US-Dollar ab. Die Top-zehn-Steuerzahler zusammen haben 2015 gemeinsam mehr als 90 Milliarden Dollar abgeführt. Selbst Starbucks, deren legale Steuertricks in Europa höchst umstritten sind, hat zuletzt bei einem Gewinn von 3,90 Milliarden immerhin 1,14 Milliarden US-Dollar an Steuern bezahlt – was einem Steuersatz von nicht ganz 30 Prozent entspricht.

Ist den Unternehmen etwas vorzuwerfen, wenn sie unterschiedliche Rahmenbedingungen und Steuersätze einzelner Länder ausnutzen? "Von der ethisch-moralischen Seite her auf jeden Fall", schreibt Josef Obergantschnig, Chief Investment Officer der Security KAG und Mitautor der Studie. Unter ökonomischen Gesichtspunkten aber nicht. Denn Vorteile auszunutzen gehöre ja auch zu einer guten Unternehmenspolitik. (Bettina Pfluger, 28.11.2016)