Eisenzeitlicher Pickelgriff und Bronzespitze.

Foto: ANWORA/NHM Wien

Brennender Leuchtspan.

Foto: ANWORA/NHM Wien

Stammholz mit Ast.

Foto: Reschreiter/NHM Wien

Wald ohne Wertastung.

Foto: ANWORA/NHM Wien

Das Hallstätter Salzbergtal mit seiner außergewöhnlichen, vielschichtigen Fundlandschaft und seiner langen Forschungstradition nimmt in der frühen Geschichte Europas einen speziellen Platz ein. Ab dem 14. Jahrhundert v. Chr. ist in diesem engen Tal untertägiger Salzbergbau nachgewiesen. Die Größe der Abbaureviere, die schiere Menge an Fundmaterialien aus den Bergwerken sowie deren Qualität und die eindeutigen Hinweise auf stark strukturierte, segmentierte Arbeitsabläufe belegen, dass wir es hier mit einem bedeutenden Produktionszentrum zu tun haben. Doch das ist nicht alles.

Produktion und Verbrauch

Bei der Untersuchung von Produktionsstrukturen, ob prähistorisch oder modern, stellt der Versorgungsbedarf einen wesentlichen Aspekt dar. Denn jede Produktionsstruktur, ob groß oder klein, benötigt Betriebsmittel und Arbeitskraft. Die Versorgung mit Geräten, Werkstoffen und Verbrauchsmitteln sowie mit einer ausreichenden Zahl an entsprechend befähigten Arbeitskräften ist eine grundlegende Anforderung jeder Produktionstätigkeit.

Ortsgebundene Produktionsstrukturen wie Bergwerke sind in besonderem Maße von einer funktionierenden Versorgung abhängig. Umgelegt auf die prähistorischen Salzbergbaue von Hallstatt heißt das, dass wir es dort nicht nur mit einem bedeutenden Produktionszentrum, sondern auch mit einem bedeutenden Verbrauchszentrum zu tun haben, das mit seinem näheren und weiteren Umland gut vernetzt war.

Was wurde gebraucht?

Was wurde im 14. Jahrhundert v. Chr. beziehungsweise im 8. Jahrhundert v. Chr. benötigt, um Salz im Hallstätter Salzberg abbauen zu können? Zumindest Geräte, Werkstoffe, Arbeitskräfte und Lebensmittel für die Arbeitskräfte waren unabdingbar. Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, welche Qualität und welche Mengen benötigt wurden.

Unklar ist auch, ob die lokal vorhandenen Ressourcen genügten, um den Bedarf an Menge und Qualität zu decken. Anschließend stellt sich die Frage, wer für die Beschaffung beziehungsweise Produktion zuständig war. Übernahm die Bergbaugemeinschaft diese Tätigkeiten, oder wurden diese Aktivitäten ausgelagert – das heißt: Outsourcing bereits in der Urgeschichte?

In welcher Qualität?

In den prähistorischen Bergbaurevieren haben sich dank der konservierenden Wirkung des Salzes meterhohe Schichten an Betriebsabfall erhalten. Dieser Betriebsabfall erlaubt einzigartige Einblicke in Bergbautechnologie und das Ressourcenmanagment. Zunächst ist die große Bandbreite der benötigten Materialien von Holz über Wolle, Gras, Lindenbast, Heu, Tierhaut und -fell, Textilien und Keramik bis hin zu Bronze herauszustreichen. Aus diesen Materialien wurden Werkzeuge und Verbrauchsmittel gefertigt.

Der wichtigste Werkstoff aller prähistorischen Bergbauphasen im Hinblick auf die Menge und die Vielfalt der Anwendungsbereiche ist jedoch eindeutig Holz. Daher wurden im Rahmen des Hallimpact-Projekts, gefördert durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften, hunderte prähistorische Holzgeräte aus den Bergbaurevieren holztechnologisch untersucht. Diese Untersuchungen zeigten, dass die verwendeten Rohstoffe gezielt ausgewählt wurden und die Auswahl klaren Selektionskriterien unterlag. Das stellt eine wesentliche neue Erkenntnis dar, die gut zu älteren Einsichten in das Ressourcenmanagement der Bergbaue passt. Fritz Eckart Barth war bereits in den 1960er-Jahren – ganz am Beginn seiner Hallstätter Forschungstätigkeit – aufgefallen, dass die Werkzeuge in ihrer Formgebung eine auffallend geringe Variationsbreite aufweisen. Im Übrigen schreibt Barth diese Woche im Stiegen-Blog über die Anfänge der modernen Forschung in Hallstatt.

Was wurde ausgewählt?

Die Holzart stellt eines der stärksten Selektionskriterien dar. Bestimmte Holzarten wurden für bestimmte Anwendungsbereiche gezielt gewählt. Diese Beobachtung stimmt gut mit anderen Forschungserkenntnissen zu prähistorischer Holzverwendung überein. Jedoch kann das weltweit nur an wenigen Fundstellen derart gut untermauert werden wie in Hallstatt. Die große Menge an Untersuchungsobjekten ermöglicht es uns, statistisch abgesicherte Aussagen zu treffen und auf Verhaltensmuster rückzuschließen.

Verblüffend bei der Auswahl des Rohmaterials ist die Stärke der Präferenz. Anders ausgedrückt, unter mehreren hundert eisenzeitlichen Pickelgriffen wurden nur eine Handvoll nicht aus Buchenholz gefertigt. Dabei liefert nicht allein die Buche geeignetes Holz für den Einsatz als Pickelgriff. Ulme und Esche etwa waren in der Eisenzeit in Hallstatt durchaus vorhanden, doch wurden sie nicht ausgewählt. Die Gründe dafür verstehen wir bislang nicht. Hier ist an soziale, wirtschaftliche und ideelle Motive zu denken, die in Zukunft zu diskutieren sind. Auch heute werden unsere Entscheidungen für die Verwendung eines bestimmten Materials und gegen die Verwendung eines anderen nicht allein durch technologisch-rationale Überlegungen gesteuert. Hinzu kommt, dass wir möglicherweise bestimmte technologische Aspekte bislang nicht erkannt haben.

Hohe Ansprüche

Was die holztechnologischen Untersuchungen unter anderem auch deutlich belegen, ist das Bestreben, "gute" Qualität zu gewinnen, und die Bereitschaft, hierfür Zeit und Energie zu investieren. Am deutlichsten illustrieren das die Leuchtspäne, die unter Tage als Beleuchtungsmittel dienten. In den Abfallschichten der prähistorischen Abbaureviere haben sich Millionen abgebrannte Leuchtspäne erhalten. Diese wurden zumeist aus dem harzfreien Tannenholz gefertigt, das schlechter brennt als harzreiches Holz, dafür jedoch mit geringer Rußentwicklung.

Bei diesen Leuchtspänen ist auffällig, dass sie zu einem sehr hohen Anteil aus astfreiem Holz gefertigt wurden. Unter normalen Bedingungen bildet ein Baum über die Länge seines Stammes Äste aus. Die Äste durchziehen das Stammholz und stellen aus Sicht der Holzbearbeitung Störungen dar. Um die Ausbildung von Ästen zu verhindern, müssen die Äste früh im Wachstum des Baumes entfernt werden. Dieser Vorgang wird als Wertasten bezeichnet. Derartiges Holz bietet zahlreiche Vorteile und wird auch heute in der holzverarbeitenden Industrie hoch geschätzt.

Zwei Aspekte waren wohl für die prähistorischen Bergleute von besonderem Interesse. Zum einen lassen sich astfreie Baumstämme besser spalten als astige. Zum anderen brennen Astansätze, da es sich um dichteres Holz handelt, deutlich schlechter als Stammholz. Da Tannenholz grundsätzlich ein schlechtes Brennverhalten hat, war man möglicherweise bestrebt, dieses durch Wertasten zu verbessern.

Und wie viel davon?

Wie groß war nun der Bedarf an qualitativ hochwertigen Leuchtspänen, Gerätestielen und zahlreichen anderen Geräten und Verbrauchsmitteln? Für das Verständnis des Salzbergbaus und dessen Beziehung zu seinem Umfeld ist diese Frage von wesentlicher Bedeutung. Hiervon hängt ab, wie viel Zeit in die Gewinnung der Rohmaterialien investiert werden musste, wie viele Menschen notwendig waren, um diese Arbeiten auszuführen, aber auch, wie viele Bäume und wie viel Waldfläche benötigt wurden, um den Bedarf zu decken.

Interessanterweise sehen wir momentan in den Abfallschichten der Bergbaue keine Hinweise auf Versorgungskrisen. Trotz der guten Datenlage fällt es uns jedoch schwer, den Bedarf zu quantifizieren. Das liegt unter anderem daran, dass wir nicht wissen, wie groß die Arbeitsgruppen waren, die unter Tage arbeiteten. Denn für die Bronzezeit und die ältere Eisenzeit fehlen uns die Bergbausiedlungen. Daher nähern wir uns diesem Problem auf anderen Wegen. Mithilfe von experimenteller Archäologie und Computersimulationen versuchen wir ein Verständnis dafür zu erarbeiten, wie groß die Arbeitsgruppen mindestens hätten sein müssen. Über die Umweltarchäologie arbeiten wir daran abzuschätzen, wie intensiv die Menschen in ihre Umwelt eingriffen. Über beide Aspekte werden wir in der Zukunft in diesem Blog berichten. (Kerstin Kowarik, Michael Grabner, Hans Reschreiter, 1.12.2016)