Das größte Problem bei Lungenkrebs: Die Diagnose erfolgt meistens sehr spät. "Die Lunge ist ein 'riesiger' Raum, wo sich ein Tumor ausbreiten kann – ohne Schmerzempfinden", wie Helmut Prosch von der Universitätsklinik für Radiodiagnostik bei einer Pressekonferenz in Wien betonte.

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Wien – Rund 6.000 Experten treffen sich ab Sonntag (4. Dezember) in Wien zur Welt-Lungenkrebs-Konferenz (WCLC). "Der Lungenkrebs ist der wichtigste Krebs weltweit. Er ist eine vermeidbare Tragödie", sagte am Donnerstag Robert Pirker, Wiener Lungenkarzinomspezialist von der MedUni Wien am AKH, im Rahmen einer Pressekonferenz.

Der Onkologe ist federführender Organisator der Konferenz, die bis zum 7. Dezember dauert, und sich allen Aspekten der Krankheit – von der Prävention über die Früherkennung bis zur Therapie von Patienten in allen Stadien der Erkrankung – beschäftigt. "Global erkranken pro Jahr rund 1,8 Millionen Menschen an einem Lungenkarzinom. 1,6 Millionen Menschen sterben daran. Das sind 20 Prozent aller durch Krebs verursachten Todesfälle", so Pirker.

Schlechte Prognosen

Mit Bauchspeicheldrüsen- und Eierstockkrebs gehört der Lungenkrebs zu den Karzinomerkrankungen mit der schlechtesten Prognose. Am wichtigsten wäre die Prävention, da weltweit 70 Prozent und in Europa 85 Prozent der Fälle bei Rauchern auftreten. Trotzdem, so der Experte, zerfällt die alte Krankheitskategorie Lungenkarzinom zunehmend in spezifisch charakterisierbare Formen: Etwa in solche, die ganz bestimmte genetische Mutationen als "Treiber" aufweisen und auch schon sehr spezifisch behandelt werden können, und jene, die zuvorderst auf das Rauchen oder Umwelteinflüsse wie Asbest etc. zurückzuführen sind.

Das Riesenproblem ist die rechtzeitige Diagnose. "Die Lunge ist ein 'riesiger' Raum, wo sich ein Tumor ausbreiten kann – ohne Schmerzempfinden", sagte Helmut Prosch von der Universitätsklinik für Radiodiagnostik in Wien. 80 Prozent der Erkrankungen würden deshalb zu spät für eine heilende Behandlung erkannt. Vor fünf Jahren sei allerdings in den USA eine groß angelegte Studie publiziert worden, wonach man bei schweren Rauchern ab 55 Jahren (30 Jahre täglich eine Packung oder Ex-Raucher mit langer Zeit als starke Raucher) die Mortalität durch Früherkennung mittels einer Low-Dose CT-Untersuchung pro Jahr um 20 Prozent reduzieren konnte.

Screening von Risikogruppen

"Die Methode wird in den USA bereits breitflächig eingesetzt. Sie wird auch in die künftigen deutschen Leitlinien aufgenommen werden", ergänzte Prosch. Diese sollen Anfang kommenden Jahres publiziert werden. Damit könnte in absehbarer Zeit auch in Österreich mit einem Raucheranteil an der Bevölkerung von rund 24 Prozent die Frage nach einem Screeningprogramm zur Lungenkarzinom-Früherkennung gestellt werden.

Wilfried Eberhardt, Thoraxonkologe von der Universitätsklinik Essen, sagte dazu: "Es geht dabei aber um die Implementierung hoher Qualitätsstandards." Immerhin werden bei rund 40 Prozent der Untersuchten verdächtige "Rundherde" entdeckt, zu 96 Prozent stellen sie sich aber, nach zum Teil belastenden weiteren Untersuchungen, als gutartig heraus. Der Personenkreis für das Lungenkarzinom-Screening sollte also möglichst auf Personen mit dem höchsten Risiko beschränkt werden.

Stigmatisierung und Fortschritte

Anders als beim Brustkrebs mit dem Geschlecht und dem Alter von dafür infrage kommenden Personen als einzige Parameter existieren für ein Lungenkarzinom-Screening vielfältige mögliche Auswahlkriterien: Rauchverhalten, Geschlecht, Alter, Erkrankungen in der Familien, andere Erkrankungen, die anfälliger machen könnten etc.

Auf der anderen Seite haben die Spezialisten in der Behandlung große Fortschritte gemacht. "Wir heilen mehr und mehr Lungenkrebspatienten", sagte Fred Hirsch, führender Repräsentant der internationalen Vereinigung der Lungenkarzinomspezialisten. Es sei an der Zeit, der Erkrankung das Stigma des durch das betroffene Individuum verursachten Erkrankung zu nehmen.

Ein Beispiel ist das lokal fortgeschrittene Lungenkarzinom, an dem 30 Prozent der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose leiden. Die Heilungsraten liegen derzeit bei 20 bis 45 Prozent, im Falle einer möglichen Kombination von Operation sowie intensiver Chemo- und Strahlentherapie sogar bei 40 bis 45 Prozent. Das wäre vor einigen Jahren noch unmöglich gewesen. (APA, 1.12.2016)