Bild nicht mehr verfügbar.

Wie genau die bayerischen Atheisten tanzen, ist nicht bekannt

Foto: APA/EPA/ANDREAS GEBERT

Karlsruhe – Der ausnahmslose Schutz des Karfreitags in Bayern verstößt gegen das deutsche Grundgesetz. Das hat das deutsche Bundesverfassungsgericht mit einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss festgestellt. Die Karlsruher Richter gaben einer Verfassungsbeschwerde des 1919 als "Freireligiöse Landesgemeinschaft" gegründeten Münchner Bundes für Geistesfreiheit (BfG) statt.

Die anerkannte Weltanschauungsgemeinschaft vertritt die Interessen konfessionsloser Menschen und will die strikte Trennung von Kirche und Staat. Um die bayerische Regelung gerichtlich prüfen zu lassen, hatte die Gruppierung am Karfreitag 2007 eine Veranstaltung in einem Münchner Theater organisiert.

Gericht untersagte Konzert

Bei dieser Party unter dem Motto "Heidenspaß statt Höllenqual – religionsfreie Zone München" wurden für 7,50 Euro Eintritt mehrere Kinofilme, ein Schoko-Buffet und zum Abschluss ein Konzert der Rockband "Heilig" angeboten. Die Behörden untersagten den letzten Veranstaltungsteil, weil das Bayerische Feiertagsgesetz am Karfreitag musikalische Darbietungen verbietet und jegliche Ausnahme ausdrücklich ausgeschlossen wird.

Dieser Argumentation konnten sich die Karlsruher Richter nicht anschließen: Zwar darf der Karfreitag als "stiller Tag" laut Beschluss besonders geschützt werden. Jede Befreiungsmöglichkeit von vorneherein auszuschließen sei aber unverhältnismäßig. Das Gericht betont in seinem Urteil die Wichtigkeit des Schutzes der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit der Gruppe, für die es "angesichts ihres thematischen Bezuges zum Karfreitag auch maßgeblich darauf ankam, die Veranstaltung gerade an diesem Tag abzuhalten."

Gottlosigkeit als Bindeglied

Der Beschwerdeführer hätte für die Veranstaltung den Schutz der Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen können, gerade auch, weil sich ein Atheisten-Verband sich von theistischen Anschauungen abgrenzen müsse. "Gottlosigkeit" sei geradezu ein "Bindeglied" für Organisationen wir den BfG, so das Urteil.

Die Entscheidung dürfte nicht einstimmig gefallen sein: auf Nachfrage der "Frankfurter Allgemeinen" wollte das Gericht nicht bekanntgeben, wie viele der acht Richter den Beschluss mittragen.

Kein Freibrief für Gastronomen

Im Gegensatz zu Gastronomen, die mit einem Schild "Anti-Karfreitagstanz" an der Eingangstür auch am Feiertag aufsperren wollen, seien Tanz und Musik in diesem Fall nicht nur ein bloßes Vergnügen gewesen, so die Höchstrichter, sondern hätten die Ablehnung der Karfreitagsruhe versinnbildlicht, also ein politisches Anliegen. In Baden-Württemberg schaffte die Regierung Ministerpräsident Winfried Kretschmanns (Grüne) 2015 das weihnachtliche Tanzverbot ab.

De Karslruher Entscheidung dürfte auch außerhalb Bayerns Auswirkungen zeigen: Martin Budich von der Bochumer Initiative "Religionsfrei im Revier", der in einem ähnlichen Fall auf ein höchstgerichtliches Urteil wartet, sagte zum STANDARD, er freue sich über den "Traditionsbruch". Bisher habe für die Richter die Maxime "Staatsvolk ist gleich Kirchenvolk" gegolten, im aktuellen Urteil ist von den "christlichen Teilen der Bevölkerung" die Rede. (bed, 1.12.2016)