Das Wahlvolk jammert, protestwählt, doch es gibt keine reine Krise auf politischer Ebene.

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Alles wie immer. Auftakt zum Europäischen Mediengipfel 2016: Begrüßung, zwei Keynotes, anschließend Podiumsdiskussion über "Unsere Zukunft in Europa". "Die Demokratie muss verteidigt werden", hat der frühere tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg in seiner Eröffnungsrede gesagt. Dann folgte die Podiumsdiskussion, die ablief, wie Podiumsdiskussionen so oft ablaufen. Eine Gruppe Intellektueller sitzt zusammen und philosophiert über Gesellschaft und Demokratie, wundert sich über den Erfolg von Populisten. Und kritisiert, dass nicht genug dagegen getan werde und, wenn doch, die falschen Maßnahmen gesetzt würden.

Intellektuelle Echokammer

Als nach insgesamt zweieinhalb Stunden intensiven intellektuellen Diskurses endlich das Publikum Wortmeldungen hätte abgeben dürfen, war es träge. Fragen? Nur eine einzige Hand ging nach oben. Sie habe heute Abend viel Desillusionierendes über die Demokratie, über Europa gehört, sagte die junge Frau. "Aber wie", fragte sie, "wie können wir es besser machen?" Was, wollte die Stipendiatin wissen, seien die konstruktiven Ideen, um den Populismus zurückzudrängen und Werte wie Demokratie und Gemeinschaft in Europa zu stärken? Die Antworten vom Podium kamen zögerlich, ausweichend. Schnell wurde das Thema auf andere Baustellen gelenkt. Eine andere Stipendiatin schrieb später auf Twitter: "Die Jugend stellt Fragen, die Referenten geben keine Antworten. Hallo?"

Die Demokratie muss verteidigt werden, ja. Aber wie? Europa versumpft heute in Angststarre vor Populismus und gleichzeitiger nationalpolitischer Blockade. Podiumsteilnehmer Othmar Karas, seines Zeichens EU-Abgeordneter und früherer Vizepräsident des Europaparlaments, wirkt ebenso frustriert wie der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein. Man sitzt in der intellektuellen Echokammer. Konkrete, konstruktive Ideen? Fehlanzeige.

Frust und Bequemlichkeit

Da hat die Stipendiatin recht, das ist in der Tat desillusionierend. Es ist frustrierend. Und es steht stellvertretend für die Visionslosigkeit etablierter Parteien in Europa.

Dabei liegt der Kern des Problems eigentlich woanders. Das wahre Problem ist die Bequemlichkeit der europäischen Bürger – und der österreichischen im Speziellen. Es wird gejammert, es wird protestgewählt, aber kaum jemand kommt auf die Idee, selbst anzupacken. Wo sind die Bürgerinitiativen, die Lokalpolitik aktiv gestalten? Wo sind die Demonstrationen gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeit? Ja, es stimmt, die Demokratie ist in Gefahr. Aber Schwarzenberg hat recht, wenn er meint, es sei keine reine Krise auf politischer Ebene. Wir alle, das sind du und ich. Erst wenn wir selbst Engagement beweisen, kann die Gesellschaft, kann Europa besser werden. In kleinen Schritten in die richtige Richtung. Eine Stipendiatin, die fragt, was "wir", die Jungen, besser machen können, gibt Grund zur Hoffnung. Mehr davon! (Andrea Vyslozil, 2.12.2016)