Karpfen kann man auf unterschiedliche Arten zubereiten. Beim Schuppenkarpfen empfiehlt es sich, die Haut dranzulassen.

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Dass der 24. Dezember genau genommen ein Fastentag ist, wird heutzutage gerne und geflissentlich vergessen. Dabei wäre so ein feierlicher fleischloser Tag der ideale Anlass, um nach alter Tradition einen Fisch zu ehren, der einem im Laufe des Jahres sowieso viel zu selten unterkommt. Nämlich den Karpfen. Oft genug und völlig zu Unrecht verschmäht, bietet dieser die Gelegenheit, uns in einer Kunst zu üben, die in erster Linie die Katholiken unter unseren Vorfahren noch vorbildlich beherrschten. Und die darin bestand, aus einer preisgünstigen, scheinbar unedlen Fastenzutat eine wahre Delikatesse zu bereiten – und dieserart einen Tag des Verzichts und der Enthaltsamkeit in einen kulinarischen Festtag zu verwandeln.

Einst als Heiligabendessen schlechthin betrachtet (zur aktuellen Jahreszeit ja auch gerne Weihnachtskarpfen genannt), wurde der sanftmütige heimische Zuchtfisch inzwischen von den Festtagstischen bedauerlicherweise weitgehend verdrängt. Und zwar zum einen von alles andere als fastengerechtem Geflügel wie zacher Gans oder trockenem Truthahn. Und zum anderen von angeblich nobleren Fischarten.

Dümpeln im stehenden Gewässer

Nun, als nobel zu bezeichnen ist der Karpfen wohl kaum. Vor allem nicht im Vergleich zu exotischen und weitgereisten Meeresbewohnern aus Wildfang – wie etwa dem fleischigen Steinbutt oder der delikaten Seezunge – wirkt er nicht nur ziemlich grobschlächtig und behäbig, sondern weckt auch keinerlei romantische Bilder von Wind, Wetter, Wellen und der Weite des Ozeans.

Eher im Gegenteil. Denn in der Regel dümpelt er in einem stehenden heimischen Gewässer vor sich hin, meist in einem unaufgeregten Teich irgendwo im niederösterreichischen Wald- oder Industrieviertel. Und daraus wird ganz einfach abgefischt. Das geschieht auf völlig sachliche und unromantische Weise, nämlich indem man aus den Teichen das Wasser auslässt und die zappelnden Fische gewissermaßen nur einsammelt. Ein Kampf Mensch gegen Natur, wie man ihn sich bei hochgepriesenen wilden Meeresfischen gerne, wenn auch völlig verklärt, vorstellt, sieht freilich anders aus.

Außenseiter

Aber selbst mit dem Prestige der marktüblichen Zuchtfische aus Salz- und Süßwasser, wie etwa der allgegenwärtigen Goldbrassen und Wolfsbarsche oder Zander und Saiblinge, kann der Karpfen nicht mithalten. Dabei stammen alle zuvor genannten entweder aus Massenhaltungsbetrieben, deren Zucht- und Fütterungsmethoden in vielen Fällen völlig obskur sind. Oder aber, vor allem im Fall von heimischen Süßwasser-Zuchtfischen, aus vorbildlich arbeitenden Biobetrieben, die ihre Ware allerdings zu einem Preis verkaufen, der häufig und auf völlig unerklärliche Weise – zumindest was den Genuss betrifft – an jenen von Wildfang aus dem Meer heranreicht.

Zu erklären ist der hohe Preis wohl in erster Linie mit dem Trend hin zu lokalen Lebensmitteln, die, wie man weiß oder zu wissen glaubt, nicht nur besser für die Umwelt sind, sondern auch frischer, weil weniger weit gereist und generell angesehener. Das mag ja auch sein. Problem ist nur, dass es sich bei genannten Zuchtfischarten, auch jenen aus Süßwasser, durchwegs um Fleischfresser handelt. Was die Frage nach dem Ursprung ihres Futters aus anderem Fisch und tierischem Eiweiß folglich zu einer essenziellen macht – sofern einem Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien am Herzen liegen.

Insofern ist der Karpfen eine Ausnahme. Zwar kostet er bedeutend weniger als Zander, Saibling oder immer öfter auftretender Möchtegern-Huchen – und wird dennoch von etlichen Locavores unter den Fischessern einfach vergessen. Und das, obgleich er ein sogenannter Friedfisch ist, zu seiner Ernährung also kaum tierisches Eiweiß und vor allem keinen anderen Fisch benötigt. Anspruchslos und bescheiden ernährt er sich in erster Linie vom Plankton und den Pflanzen in seinem Teich, bisweilen proteintechnisch angereichert durch Insekten, Würmer und Schnecken, die er im Gewässer oder in dessen schlammigen Boden findet.

Grundelangst

Womit wir beim Geschmack und damit beim wohl häufigsten Vorurteil sind. Nämlich beim gefürchteten Grundeln, auch Mooseln genannt. Darunter versteht man einen unangenehmen schlammigen Beigeschmack, der entstehen kann, wenn unser Karpfen eine bestimmte Algensorte verspeist. Doch das komme heutzutage kaum noch vor, betont Ferdinand Trauttmansdorff. "Im Unterschied zu früher werden die Teiche heute viel besser gepflegt, etwa von Algen befreit und im Winter ausgelassen und belüftet", sagt der Besitzer des renommierten Zuchtbetriebs Gut Dornau bei Leobersdorf. Zudem benutzten inzwischen so gut wie alle Betriebe Hälterungen, also Frischwasserbecken, in denen der Abgefischte einige Zeit, nämlich in jedem Fall eine Woche, in klarem Wasser verbringt, wo er jeden eventuell doch entstandenen ungewünschten Beigeschmack loswird, betont der Züchter.

Das zweite Vorurteil, das dem Karpfen anhängt, ist, dass sein Fleisch zu fett sei. Auch das ist in den Augen des Experten ein Vorwurf, der längst nicht mehr hält. "Inzwischen sorgt man dafür, dass das Biotop, also der Karpfenteich, im Gleichgewicht gehalten und nicht zu dicht besetzt wird, damit der Fisch genügend Platz hat, um sich zu bewegen, und ausreichend Plankton und sonstiges Futter vorfindet, um sich weitgehend selbst zu ernähren", so Trauttmansdorff. Außerdem werde heutzutage viel weniger kalorien- und proteinhaltiges Fressen zugefüttert als früher, nämlich ausschließlich etwas Getreide für Spiegel- und Schuppenkarpfen sowie Gras für den Amurkarpfen. Was zur Folge hat, dass der Fettanteil des Fisches heute unter fünf Prozent liege.

Fisch in allen Facetten

Die verschiedenen Karpfensorten – Trauttmansdorff züchtet alle drei – unterscheiden sich auch in Geschmack und Konsistenz. So eignet sich der Spiegelkarpfen, etwa in Form von gehäuteten Filets, zum Frittieren und Panieren und sei auch für Leute zugänglich, die einem stärker ausgeprägten Fischgeschmack nicht allzu viel abgewinnen können. Allen anderen, also fortgeschrittenen Karpfenessern und Liebhabern, sei auch der Schuppenkarpfen – und zwar mit Haut – ans Herz gelegt. Und dann gibt es eben noch den Amurkarpfen, der wegen seines weißen Fleisches und dessen knackiger, fast krabbenartiger Konsistenz geschätzt wird.

Hat man sich erst einmal für eine Karpfensorte entschieden, bleibt noch die Frage nach der Art der Zubereitung. Davon gibt es nämlich unzählige. Und neben den Klassikern wie paniert, blau oder im Wurzelsud gekocht auch einige wunderbare asiatische etwa mit Ingwer, Sojasauce und frischem Koriander oder der Gefilte Fisch, gleichfalls ein Festtagsessen, wenn auch kein weihnachtliches, weil Teil der jüdischen Küche. Außerdem wäre da noch die herrliche Fischbeuschelsuppe, eine Königin der österreichischen Küchenkultur, die man aus Rogen, Milchner und Abschnitten des Karpfens bereitet. Und das alles mit der wohltuenden Gewissheit, sich für einen Fisch entschieden zu haben, der so gut wie alle Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien erfüllt. (Georges Desrues, RONDO, 9.12.2016)

>> Rezept: Karpfenfilet mit Karotten-Mandel-Kruste