Wien/Paris – In Österreich schneiden Schüler mit Migrationshintergrund bei der Pisa-Studie noch immer deutlich schlechter ab als Jugendliche, deren Eltern in Österreich geboren wurden. In den vergangenen Jahren gab es eine Annäherung bei der Leistung, diese positive Entwicklung wurde diesmal aber unterbrochen.

Der Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund ist in den vergangenen Jahren in Österreich gestiegen, von elf beim ersten Pisa-Test im Jahr 2000 auf mittlerweile 20 Prozent (OECD-Schnitt: 13 Prozent). Bei Pisa haben sie über alle Jahre stets weniger Punkte erreicht, der Abstand zu den Schülern ohne Migrationshintergrund ist allerdings deutlich kleiner geworden: in Lesen sank er zwischen 2000 und 2012 von 93 auf 51 Punkte, in den Naturwissenschaften von 2006 bis 2012 von 90 auf 70 Punkte. Dieser positive Trend hält 2015 allerdings nicht mehr an: In Naturwissenschaften blieb der Abstand konstant (70 Punkte), beim Lesen ist er mit 64 Punkten sogar wieder gewachsen.

Leistungsnachteile

Mit dem Abstand von 70 Punkten in den Naturwissenschaften gehört Österreich gemeinsam mit Deutschland, Slowenien, Schweden und Dänemark zu den Ländern mit den größten Leistungsnachteilen zulasten der Migranten. Beim Leseverständnis ist der Leistungsunterschied zwischen Schülern mit und ohne ausländische Wurzeln mit 64 Punkten sogar der größte in allen 25 OECD-/EU-Ländern mit mehr als fünf Prozent Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

Wird der signifikant niedrigere sozioökonomische Status dieser Gruppe herausgerechnet, bleiben in den Naturwissenschaften noch immer 48 Punkte Leistungsunterschied – damit ist allerdings in Österreich ein deutlich kleinerer Teil der Differenz durch die schlechtere sozioökonomische Stellung erklärbar als in anderen vergleichbaren Ländern. Beim Lesen bleibt auch bei Kontrolle des sozioökonomischen Status der Abstand mit 41 Punkten unter den Vergleichsländern am größten. Hier dürften also laut dem für den österreichischen Pisa-Test verantwortlichen Bifie sprachliche Hürden eine zentrale Rolle spielen: Wird auch die geringere Lesekompetenz dieser Gruppe berücksichtigt, sinkt der Unterschied etwa in den Naturwissenschaften auf 16 Punkte und ist damit nicht mehr signifikant.

Große Unterschiede zwischen Mädchen und Burschen

Nicht nur die Herkunft, auch das Geschlecht spielt bei den Pisa-Ergebnissen 2015 in Österreich eine wesentlich größere Rolle als in anderen Staaten: In keinem anderen OECD-/EU-Land gibt es bei Pisa 2015 einen derart großen Leistungsvorsprung von Buben in den Naturwissenschaften wie in Österreich. Diese erreichen 19 Punkte mehr als Mädchen, in früheren Pisa-Erhebungen (2006 bis 2012) waren es allerdings immer nur statistisch nicht signifikante acht bis neun Punkte Unterschied gewesen.

Hintergrund der größeren Kluft könnte laut Bifie sein, dass diesmal der Test komplett auf dem Computer durchgeführt wurde. Es kann hier allerdings nur Vermutungen anstellen: Die OECD hat zwar bei der Umstellung untersucht, wie sich die neue Erhebungsmethode auf die Ergebnisse auswirkt ("Mode Effect"). Österreich hat daran allerdings wegen eines von Ex-Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) verhängten und erst später wieder aufgehobenen Teststopps nicht teilgenommen.

Im Fach Mathematik gab es schon bei früheren Pisa-Studien einen Rückstand der Mädchen zwischen 19 und 23 Punkten. Diesmal ist der Leistungsvorsprung der Burschen aus Österreich (27 Punkte) ebenfalls der größte unter den OECD-/EU-Ländern, ähnlich ist er nur in Italien (20), Chile (18) und Deutschland (17).

Risikogruppe und Spitzenschüler

Beim Lesen erreichen wiederum die Mädchen – wie in den meisten Ländern – die besseren Resultate, diesmal ist der Vorsprung vor den Burschen allerdings mit 20 Punkten deutlich geringer als bei bisherigen Pisa-Studien (33 bis 47 Punkte). Auch hier könnte sich laut Bifie die Durchführung des Tests am Computer ausgewirkt haben, bei einer Untersuchung bei Pisa 2012 war der Leistungsabstand der Burschen beim Lesen elektronischer Texte deutlich geringer als beim Lesen gedruckter Texte.

Geschlechterunterschiede gibt es auch, wenn man sich die besonders leistungsstarken und -schwachen Schüler in Österreich ansieht: So sind von den acht Prozent der Spitzenschüler in den Naturwissenschaften zwei Drittel Buben, in der Risikogruppe sind etwas mehr als die Hälfte Mädchen. Auch in der Mathematik-Spitzengruppe sind deutlich mehr Burschen (68 Prozent), in der Risikogruppe überwiegen die Mädchen (56 Prozent). Nur im Lesen liegt der Mädchenanteil unter den Schülern mit den besten Pisa-Ergebnissen mit 57 Prozent über dem der Burschen, diese dominieren im Gegenzug in der Risikogruppe (58 Prozent). (APA, 6.12.2016)