Van der Bellen will nach dem polarisierenden Wahlkampf ein Bundespräsident "für alle Österreicher sein" – bei seiner ersten Rede hörte er sich noch vorsichtiger an als Bundespräsident Heinz Fischer.

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Wien – Im noblen Palais Schönburg im vierten Wiener Bezirk tritt Alexander Van der Bellen am Dienstagnachmittag im dunklen Anzug und mit roter Krawatte vor die Presse – flankiert von der rot-weiß-roten österreichischen Fahne sowie der blau-gelben der Europäischen Union. Obwohl durch die Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses sowie die Auszählung der Briefwahlstimmen (67,6 Prozent) gestärkt, geht der designierte Bundespräsident sein erstes Statement für die Öffentlichkeit äußerst vorsichtig an. Fast noch vorsichtiger als sein langjähriger Vorgänger Heinz Fischer, der für sein ständiges Abwägen bekannt war. Schließlich müsse er ja noch eine Frist abwarten, sagt Van der Bellen später – und in Anspielung auf den anfechtungsfreudigen blauen Kontrahenten: "Und wir wissen auch, warum."

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Einen großen Teil seiner Rede verwendet der ehemalige Chef der Grünen darauf, dass er und das Land nun "das Gemeinsame vor das Trennende" stellen mögen – ein Satz, für den er inzwischen schon bekannt ist. Als neues Staatsoberhaupt tut Van der Bellen auch einiges, um die Wähler des unterlegenen FPÖ-Kandidaten zu besänftigen. So gratuliert Van der Bellen gleich zu Beginn auch noch einmal seinem "Mitbewerber Norbert Hofer". Dazu reiche er allen Wählern "die Hand".

Reden statt schimpfen

Die "sogenannte Spaltung" der Gesellschaft sehe er aber "ein wenig anders", immerhin werde in jedem Wahlkampf viel gestritten, und nun liege die Wahlbeteiligung höher als bei der ersten Stichwahl im Mai.

Er, Van der Bellen, erkenne im Wahlergebnis jedenfalls ein Zeichen, dass sich viele Österreicher eine andere Gesprächskultur wünschen. Deswegen werde er in der Hofburg auch versuchen, den konstruktiven Austausch zu forcieren. "Gemeinsam sind wir Österreich, davon gehe ich weiterhin aus", sagt der designierte Bundespräsident, der einen solchen Auftritt schon einmal absolviert hat – und zwar im Mai, bei Schönwetter vor dem Palais, wenige Tage bevor die FPÖ dann wegen der Stichwahl vor das Höchstgericht gezogen ist.

Nach den blauen Koketterien mit dem Öxit stellt Van der Bellen für alle Welt da draußen noch einmal klar: Sein ganzes Gewicht wolle er jetzt dafür in die Waagschale werfen, dass "unser Europa zusammenrückt und sich nicht auseinanderdividieren lässt". Zum zweiten Anlauf seiner ersten Rede nach der Wahl sind auch viele Journalisten und Kamerateams aus dem Ausland gekommen.

Zurückhaltung bis Jänner

Bis zur Angelobung Ende Jänner will Van der Bellen nun seine internationalen Kontakte aktivieren und die Übernahme des Amtes vorbereiten. Dafür würde er nicht nur den Kanzler, Vizekanzler und sämtliche Minister treffen, genauso stünden Gespräche mit Vertretern der Gewerkschaft, der Wirtschaft, der Kirche, der Industrie und nicht zuletzt mit der Bauernschaft an, wie er betont.

Der Advent, in den der Wahltag schließlich fiel, sei die Zeit des Friedens und der Versöhnung – zum Walzertanzen brauche es aber zwei, sagt Van der Bellen mit ruhiger Stimme, und es brauche auch Takt. Öffentlich wolle er sich bis zum offiziellen Amtsantritt zurückhalten. Es werde deshalb Anfang 2017 auch keine Neujahrsansprache geben. Auch wenn er sich damit wiederhole, sagt er am Schluss noch einmal: "Österreich ist ein Land, das gelernt hat, mit seiner Politik das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen."

Nach seiner Rede verbeugt sich Van der Bellen kurz – und einige zuvor sichtlich nervöse Beobachter seines Teams nicken sich zufrieden zu. Dann verschwindet der frisch gewählte Präsident sofort – er lässt sich in einem schwarzen Wagen wegchauffieren. (Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, 6.12.2016)