Wien – Immer mehr Babys weltweit werden per Kaiserschnitt geboren. In Brasilien ist es sogar mehr als die Hälfte. Man ist geneigt, den Trend hin zur Geburt per Operation für ein rein soziales Phänomen zu halten, denn die Rate der Geburtsprobleme, die einen operativen Eingriff nötig machen, ist sehr viel geringer.

Doch hinter dem Phänomen steckt mehr, wie Philipp Mitteröcker vom Institut für theoretische Biologie an der Universität Wien herausgefunden hat. Er und seine Kollegen haben nämlich den Zusammenhang zwischen Kaiserschnitten und Geburtsproblemen untersucht und berichten nun im Fachblatt "PNAS" von einer erstaunlichen Beobachtung.

Die Datenanalyse der Mediziner und ihre Modellrechnungen zeigen nämlich, dass in den vergangenen Jahrzehnten auch die Anzahl der "echten" Geburtsprobleme zugenommen haben, allen voran das sogenannte Becken-Kopf-Missverhältnis. Seit den 1960er Jahren steigt demnach die Zahl der Frauen, deren Becken relativ zur Größe des Fötus zu schmal ist. Und damit wächst auch das Risiko, dass der Kopf des Kindes bei der Entbindung nicht durch den Geburtskanal passt.

Geringerer Selektionsdruck

Warum ist das so? Mitteröcker und Kollegen gehen davon aus, dass der geringere Selektionsdruck daran schuld ist. Während vor der Entwicklung des Kaiserschnitts in den 1950er Jahren eine Geburt noch für bis zu sechs Prozent der Frauen tödlich endete, können dank der modernen Medizin heute Frauen mit sehr schmalem Becken gefahrlos entbinden.

Die Folge: Aus evolutionsbiologischer Sicht entfällt der Selektionsdruck hin zu einem breiteren Becken, erklärt Mitteröcker: "Eine Frau mit einem schmalen Becken, und damit auch erhöhter Wahrscheinlichkeit von Geburtsproblemen, vererbt diese Merkmale an ihre Töchter weiter." (tasch, 6.12.2016)