Die Weitergabe der Gewalt von Generation zu Generation zu verhindern, sei ein wichtiges Ziel, sagt Romeo Bissuti vom Verein Männerberatung Wien und Obmann der White-Ribbon-Österreich-Kampagne.

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"Eine Vorreiterrolle" habe Österreich in Europa in Bezug auf seine Gewaltschutzgesetze, betonte Nationalratspräsidentin Doris Bures am Dienstag anlässlich der Veranstaltung "Am Prüfstand: Gewaltschutz für Frauen in Österreich" im Parlament. Am 27. November 1996, also ziemlich genau vor 20 Jahren, sei gesetzlich festgeschrieben worden, dass Gewalt auch innerhalb der Familie nicht zu tolerieren sei. Damals seien Betretungsverbot und Wegweisung der Gewalttäter als Maßnahmen politisch nicht unumstritten gewesen. Heute herrsche darüber Konsens.

Und wirklich: Die Frauen- und Gleichbehandlungssprecherinnen aller Parlamentsfraktionen Gisela Wurm (SPÖ), Dorothea Schittenhelm (ÖVP), Carmen Schimanek (FPÖ), Aygül Berivan Aslan (Grüne), Claudia Gamon (Neos) und Martina Schenk (Team Stronach) luden zu der Veranstaltung ein. Justizminister Wolfgang Brandstätter unterstrich unter anderem die Bedeutung der Ausweitung des Paragraf 218 zur sexuellen Belästigung, den manche bis vor kurzem noch belächelt hätten.

Gesetzliche Absicherung der Budgets

In der anschließenden Podiumsdiskussion berichteten ExpertInnen unter der Moderation der Journalistin Corinna Milborn von ihren Erfahrungen: Rosa Logar von der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie betonte ebenfalls die Vorbildwirkung von Österreich in Europa, wies aber auch auf bestehende Lücken und Mängel im österreichischen Gewaltpräventionssystem hin. Wie im so genannten "Schattenbericht" der NGOs bereits festgestellt, sei zu kritisieren, dass die österreichischen Frauenhäuser jedes Jahr aufs Neue um ihre budgetären Mittel ansuchen müssen. Eine gesetzliche Absicherung der Budgets wäre wünschenswert.

Weiters erstrebenswert sei ein Erlass für die Staatsanwaltschaft, der eine Art Standard schaffen solle, wie bei schweren und schwersten Gewalttaten zu verfahren sei. Österreich sei bei der Gesetzgebung zwar vorbildlich, nicht immer aber bei deren Umsetzung. Ein weiteres besonderes Anliegen ist Logar die Gewaltprävention für Kinder. Die Kinder- und Jugendhilfe reiche nicht aus: "Ohne deutliche Mehrinvestitionen können wir unser Wissen nicht umsetzen." 450 Euro koste Gewalt pro BürgerIn in Europa pro Jahr. "Wenn wir nur einen Bruchteil davon für Prävention einsetzen, können wir viel erreichen." Die Mittel von zehn Millionen Euro im Jahr in Österreich seien viel zu wenig, gebraucht würden "210 Millionen".

Opferschutzorientierte Täterarbeit

Romeo Bissuti vom Verein Männerberatung Wien und Obmann der White-Ribbon-Österreich-Kampagne berichtete von seiner opferschutzorientierten Täterarbeit. In seiner jahrelangen Praxis seien ihm oft Männer begegnet, die selbst als Kinder Gewalterfahrungen gemacht hätten. Die Weitergabe dieser Gewalt von Generation zu Generation zu verhindern, sei ein wichtiges Ziel. "Wir müssen das männliche Rollenverständnis zum Thema machen", betonte er.

Ein Drittel Selbstmelder

Johann Golob, Leiter der Pressestelle der Landespolizeidirektion Wien, berichtete über die Erfahrungen der Polizei als "Ersteinschreiter" und Verbesserungen bei der Rechtsaufklärung für (potentielle) Gewalttäter. So sei es nach der Aussprechung von Betretungsverboten beispielsweise gesetzlich möglich, den Täter vorzuladen und auch ohne sein Einverständnis die Rechtsfolgen zu verdeutlichen.

Werner Schweiger, der sich bei der Polizei Döbling seit vielen Jahren mit komplexer Opferarbeit beschäftigt, erklärte in diesem Zusammenhang: "Die Einsicht fehlt meist. Wir haben in etwa drei große Gruppen: Täter, die nach einer Verurteilung von Gericht zu einer Beratung zugewiesen werden, solche, die über die Jugendämter kommen und Selbstmelder." Auch bei Dritteren gäbe es oft Druck von einer Partnerin, die sagt: wenn das noch einmal passiert, verlasse ich dich.

Beratung vor Verurteilung

Ein Ziel sei es, so waren sich die DiskutantInnen einig, öfter Zuweisungen zu Männerberatungen zustande zu bringen, schon bevor es zu einer Verurteilung käme. "Wir haben ein sehr modernes Strafrecht", so Rosa Logar, "aber in der Anwendung gibt es noch viele Verbesserungsmöglichkeiten. Verfahren werden zu oft eingestellt. Das ist sehr entmutigend für die betroffenen Frauen. Auch Mittel wie die Probezeit mit Bewährungshilfe und Gewalttraining werden zu selten angewendet." (Tanja Paar, 7.12.2016)