Europa wird gerade wieder auf die Probe gestellt, und dies gleich doppelt. Während die österreichischen Wähler verhindert haben, dass die Europäische Union ihren ersten rechtsextremen Staatschef bekommt, haben die Italiener ihrer Regierung einen schweren Schlag versetzt – und den Weg für die Machtergreifung populistischer Kräfte bereitet. Betrachtet man zusätzlich den Brexit, der erst in den Anfängen steckt, und die immer noch schwache Wirtschaftsleistung der Eurozone, kommt man zu dem Ergebnis, dass das Überleben der gemeinsamen Währung keineswegs garantiert ist.

Da für die vielen wirtschaftlichen Probleme Europas der letzten Jahre (von der doppelten Rezession bis hin zur langsamen und ungleichmäßigen Erholung) dem Euro die Schuld gegeben wurde, haben die nationalistischen, euroskeptischen und populistischen Bewegungen an Boden gewonnen. In Österreich konnten sie abgewehrt werden, aber Italien könnte ihnen zum Opfer fallen.

Die Entscheidung von Ministerpräsident Matteo Renzi, sein Versprechen einzulösen und nach der Ablehnung der von seiner Regierung vorgeschlagenen Verfassungsreformen zurückzutreten, hat die italienische Politik in Verwirrung gestürzt und wird wahrscheinlich zu vorgezogenen Neuwahlen führen. In einer Zeit erheblicher wirtschaftlicher Probleme – seit zehn Jahren stagniert die italienische Produktion, und die öffentlichen Finanzen des Landes stehen weiter auf unsicheren Füßen – könnten die Wähler von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, die eine Volksabstimmung über die weitere Mitgliedschaft in der Eurozone versprochen hat, tatsächlich in Versuchung geführt werden.

Aufschwung aus Amerika

Soll das Aufbrechen der Eurozone verhindert werden, braucht Italien – ebenso wie die gesamte Währungsgemeinschaft – dringend einen Wirtschaftsaufschwung. Und dieser Aufschwung könnte tatsächlich durch den zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump bewirkt werden.

Bereits Wochen vor seinem Amtsantritt hat Trump einen Effekt: In den USA sind die Langfristzinsen gestiegen und werden wahrscheinlich noch weiter steigen. Dies hat auch in Europa zu einer (deutlich geringeren) Zinserhöhung geführt. Die Renditen der deutschen Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sind seit der US-Wahl um 50 Basispunkte gestiegen und liegen damit wieder im positiven Bereich. Die Populisten können nicht länger behaupten, die Europäische Zentralbank besteuere die deutschen Sparer.

In den Randstaaten der Eurozone war die Zinserhöhung noch ausgeprägter. In Italien beispielsweise gingen die Erträge der zehnjährigen Anleihen um fast einen ganzen Prozentpunkt nach oben. Auch wenn dies als Problem erscheinen könnte, ist es wahrscheinlich so, dass der negative Effekt höherer Zinsen in den Randstaaten begrenzt bleibt. Immerhin ist ein Großteil der Kreditaufnahme der Haushalte und Unternehmen an die Kurzfristzinsen gekoppelt, die von der EZB und nicht von den Märkten festgesetzt werden und damit niedrig blieben.

Darüber hinaus sind die Regierungen der Randstaaten größtenteils von den Steigerungen der Risikoprämien langfristiger Anleihen abgeschirmt, da ihre ausstehenden Schulden weiterhin von ihren Zentralbanken aufgekauft werden. Und die deutliche Aufwertung des US-Dollar nach der Wahl von Trump wird wahrscheinlich zu einer größeren Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Exporte führen.

Also war der unmittelbare Einfluss von Trumps Sieg auf die Eurozone positiv – und die Vorteile scheinen noch weiterzugehen. Trump hat versprochen, die Steuern erheblich zu senken, was eine Reduzierung der Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent einschließt. Gemeinsam mit Plänen zur Subventionierung von Infrastrukturinvestitionen und höheren Militärausgaben hat dies in den USA wahrscheinlich ein rapide steigendes Haushaltsdefizit und eine enorme kurzfristige Erhöhung der Nachfrage zur Folge. Angesichts dessen, dass die US-Wirtschaft bereits jetzt an ihre Kapazitätsgrenze stößt (die Arbeitslosigkeit liegt unter fünf Prozent), sind zur Deckung dieser Nachfrage mehr Importe und ein stärkerer US-Dollar erforderlich.

All dies nützt der Eurozone, für die die USA weiter ein führender Exportmarkt sind. Aber es sind die Randstaaten, die wahrscheinlich am meisten profitieren. In Italien ist der Effekt einer Euro-Abwertung beispielsweise dreimal so groß wie in Deutschland, da die Nachfrage nach spezialisierten deutschen Investitionsgütern nicht sehr preiselastisch ist. So könnte ein schnelles, nachfragegetriebenes Wachstum in den USA gemeinsam mit dem starken Dollar zu einem dringend benötigten Ausgleich innerhalb der Eurozone führen.

Auch von der Energiepolitik unter Trump könnte Europa profitieren. Während seiner Kampagne versprach er Energieautarkie für sein Land – was mit einer Subventionierung der inländischen Förderung von Öl, Gas und möglicherweise auch Kohle einhergeht. Dies würde den Druck auf die Ölpreise erhöhen – und wäre damit für die Energieimportländer der Eurozone ein Segen.

Für die möglichen europäischen Vorteile einer Trump'schen Ökonomie gibt es einen Präzedenzfall: Nach dem Zusammenbruch des Dollar-basierten Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse in den 1970ern hat Europa das Europäische Währungssystem (EWS) gegründet, um in einem Ozean wild fluktuierender Wechselkurse eine Insel der Stabilität zu schaffen. Zunächst erwies sich die Beibehaltung stabiler Wechselkurse innerhalb des EWS aufgrund großer Unterschiede bei den nationalen Inflationsraten und wirtschaftspolitischen Prioritäten als schwierig, aber dank US-Präsident Ronald Reagan verbesserte sich die Lage schnell.

Die "Reaganomics" führten zu einem enormen Haushaltsdefizit und einem extrem starken Dollar. Gemeinsam mit niedrigen Ölpreisen war dies der Grund dafür, dass Europa seine Disparitäten überwinden und Wachstum erzielen konnte. Tatsächlich war dies das letzte Mal, dass Italiens BIP stärker wuchs als der EWS-Durchschnitt. Die "Trumponomics" zielen auf die Schaffung genau derselben Bedingungen ab.

Was auch immer die möglichen Nachteile von Trumps Politik sein mögen, es gibt einen klaren Vorteil: In einer Eurozone, in der wirtschaftliche Unzufriedenheit zu politischer Unruhe führt, wird sie Wachstum und Arbeitsplätze fördern – und die Gewinne werden in den Ländern am größten sein, die sie am dringendsten brauchen. Angesichts eines Italien, das vor einer Volksabstimmung über die weitere Mitgliedschaft in der Eurozone stehen könnte, kann der Wert dieser Entwicklung gar nicht überschätzt werden. In der Tat könnte es letztlich Trump sein, der den Euro rettet. (Daniel Gros, Übersetzung: Harald Eckhoff, Copyright: Project Syndicate, 9.12.2016)