Werner Amon glaubt nicht, dass es parteiinterne Querschüsse gegen die Linie des Parteichefs, sich in erster Linie von der FPÖ abzugrenzen, geben wird: "An der werden sich alle orientieren müssen."

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ÖVP-Chef Mitterlehner will sich künftig nicht so sehr an der SPÖ von Christian Kern reiben.

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Wenn sich die FPÖ-Spitze rund um Heinz-Christian Strache mit "fragwürdigen Persönlichkeiten" wie Marine Le Pen abgebe, stelle sie sich damit ins Abseits, sagt Werner Amon.

Foto: apa

Wien – Die ÖVP stellt den Freiheitlichen für künftige Koalitionsverhandlungen die Rute ins Fenster. "Wenn die FPÖ von ihrer grundsätzlich EU-kritischen Haltung nicht abgeht, wird man sie nur sehr schwer an einer Regierung beteiligen können", sagt ÖVP-Generalsekretär Werner Amon im STANDARD-Interview.

Sein Parteichef Reinhold Mitterlehner hatte zuvor eine Art Machtwort gesprochen und via "Kronen Zeitung" die Devise ausgegeben, die ÖVP müsse sich künftig viel stärker von der FPÖ als von der SPÖ abgrenzen. Amon kündigt auch weitere Steuersenkungen noch in dieser Legislaturperiode an.

STANDARD: Parteichef Reinhold Mitterlehner hat die Devise ausgegeben: Die FPÖ ist ab sofort der größte Konkurrent der ÖVP, nicht die SPÖ. Was hat zu dem Meinungsumschwung geführt? Bisher war es ja offenbar Strategie von Teilen der Partei, gezielt die SPÖ zu bekämpfen.

Amon: Fest steht: Zwischen SPÖ und ÖVP findet de facto kein Wähleraustausch statt. Daher ist unser Hauptmitbewerber die freiheitliche Partei. Das ist keine große Überraschung. Dort, wo die Sozialdemokraten wirtschaftsfeindliche Positionen einnehmen, werden wir uns natürlich auch von ihnen abgrenzen. Das ist völlig klar. Die SPÖ ist aber auch unser Koalitionspartner, mit Betonung auf Partner. Da geht man ordentlich miteinander um. Darauf legt der Parteiobmann ausdrücklich wert.

STANDARD: Man hätte aber auch schon früher feststellen können, dass man an die FPÖ verliert.

Amon: Ich behaupte auch nicht, dass das neu ist. Aber durch die Bundespräsidentenwahl ist deutlich sichtbar geworden, dass ein fragwürdiger Antieuropakurs, der Österreich in die Isolation führen und unserer exportorientierten Wirtschaft schaden würde, nicht mehrheitsfähig ist. Da muss man als ÖVP klar aufzeigen, wo die Grenzen sind. Die Freiheitlichen stehen international im Abseits, wenn sie sich nur mit den Le Pens, den Wilders und anderen fragwürdigen Persönlichkeiten abgeben. Und wenn die FPÖ von ihrer grundsätzlich EU-kritischen Haltung nicht abgeht, wird man sie nur sehr schwer an einer Regierung beteiligen können.

STANDARD: Warum waren bisher so viele in der ÖVP davon überzeugt, sich vor allem an der SPÖ reiben zu müssen?

Amon: Ich möchte mich nicht mit der Vergangenheit beschäftigen. Jetzt ist das die vom Parteichef ausgegebene Linie. An der werden sich alle orientieren müssen.

STANDARD: Hat man einsehen müssen, dass das Sich-gegenseitig-Anpatzen nur die Leute verschreckt? In den Umfragen liegt die ÖVP weit hinter FPÖ und SPÖ zurück.

Amon: Ich habe das nie anders gesehen. Es ist Aufgabe einer Regierung, zusammenzuarbeiten und Konflikte intern auszutragen. Wenn sich diese Erkenntnis zunehmend durchsetzt, dann ist das der Anfang einer weiteren erfolgreichen Zusammenarbeit in den nächsten beiden Jahren.

STANDARD: Also ein Modell Steiermark: auf Harmonie und das Gemeinsame setzen?

Amon: Mit so einem Vergleich wäre ich vorsichtig. Die Landesebene ist schon noch einmal etwas anderes als die Bundesebene. Aber die Erwartungshaltung der Bevölkerung ist sicher die, dass eine Regierung insbesondere in schwierigen Zeiten das Gemeinsame vor das Trennende stellen sollte. Wie sollen die Bürger Vertrauen in die Regierung haben, wenn die Koalitionspartner signalisieren, dass Misstrauen und nicht Vertrauen herrscht?

STANDARD: Versprochen wurde der Neustart aber schon oft. Von ÖVP-Politikern wie Reinhold Lopatka oder Sebastian Kurz hat es dann aber immer permanente Kritik an der SPÖ gegeben. Wieso soll es dieses Mal besser funktionieren?

Amon: Ich kann nur unterstützen, was unser Obmann gesagt hat. Ich denke, dass sich dieser Erwartungshaltung alle in der Partei unterordnen werden.

STANDARD: Auch Lopatka?

Amon: Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln.

STANDARD: Machen wir es am Inhaltlichen fest. Wo geht die FPÖ aus Ihrer Sicht zu weit?

Amon: Da ist zunächst die Verrohung der Sprache. Da ist das permanente Einfordern von Dingen, die europarechtswidrig und menschenrechtswidrig sind – gerade im Zusammenhang mit schwierigen Themen wie der Migrations- oder Asylfrage. Wir ringen auch um eine Reihe von Maßnahmen etwa beim Umgang mit straffällig gewordenen Asylwerbern. Aber Entscheidungen müssen immer auf rechtsstaatlichem Boden passieren. Die FPÖ nimmt bei ihren Forderungen keine Rücksicht darauf, sie gibt sich einfach der Popularität hin. Das ist schlicht und einfach keine seriöse Politik.

STANDARD: Die ÖVP setzt aber auf die gleichen Themen wie die Freiheitlichen: Mindestsicherung kürzen, Flüchtlinge, eine angeblich gefährdete öffentliche Ordnung. Erledigen Sie nicht das Geschäft der Blauen?

Amon: Ich glaube auch nicht, dass das unsere Schwerpunkte sein können. Die erwähnten Themen sind solche, die gelöst werden müssen – immer im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit. Aber die Schwerpunkte unserer Arbeit müssen Wirtschaftsthemen sein, der Arbeitsmarkt, der Standort, Leistungsorientierung, Steuersenkungen. Über Sicherheit spricht man nicht, man sorgt dafür.

STANDARD: Angekündigt wurde eine Überarbeitung des Koalitionsvertrags im neuen Jahr. Was darf man sich davon erwarten?

Amon: Ein zentrales Thema ist aus ÖVP-Sicht: Leistung muss anerkannt und honoriert werden. Wir müssen bei der Entlastung des Faktors Arbeit weitermachen – sowohl auf steuerlicher Ebene als auch bei den Lohnnebenkosten.

STANDARD: Es wurde bereits vereinbart, die Lohnnebenkosten in den kommenden Jahren um eine Milliarde Euro zu senken. Soll es also darüber hinausgehende Maßnahmen geben?

Amon: Das war nur der Beginn. Wir brauchen weitere Schritte. Aber eben auch auf steuerlicher Ebene. Wir haben den Eingangssteuersatz bereits gesenkt, nun müssen weitere Senkungen folgen.

STANDARD: Noch in dieser Legislaturperiode?

Amon: Ja, natürlich müssen wir das mit dem Koalitionspartner besprechen. Aber eine bürgerliche Partei muss immer für Steuersenkungen eintreten.

STANDARD: An welche Bereiche denken Sie konkret?

Amon: Ein Beispiel: Wir müssen von der hohen Überstundenbesteuerung wegkommen. Wer mehr leistet, soll belohnt werden. Dazu kommen Dinge, über die wir schon länger verhandeln: eine Ökologisierung des Steuersystems, flexiblere Arbeitszeiten oder die Abschaffung der kalten Progression – wobei Letztere natürlich nicht zu einer Umverteilung führen darf.

STANDARD: Können wir uns nach der Steuerreform, die erst Anfang 2016 in Kraft getreten ist, wirklich noch weitere Entlastungen leisten?

Amon: Alles, was das Wachstum befördert, wird auch zu budgetären Mehreinnahmen führen. Das ändert aber nichts daran, dass wir in anderen Bereichen bei den Ausgaben vorsichtig sein müssen. (Günther Oswald, 11.12.2016)