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Wien – Judo-Doppel-Olympiasieger Peter Seisenbacher bleibt weiterhin von der Bildfläche verschwunden. Weder das Wiener Landesgericht für Strafsachen noch die Staatsanwaltschaft Wien haben ein Lebenszeichen des 56-Jährigen vernommen, nachdem dieser am Montag ohne Angabe von Gründen seinen Prozess wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen hatte platzen lassen.

Auch Seisenbachers Verteidiger Bernhard Lehofer ist es seither nicht gelungen, Kontakt zu seinem Mandanten aufzunehmen. "Ich hab' versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Ich bin immer nur auf der Mobilbox gelandet", sagte der Anwalt am Dienstag. Auf die Frage, ob Seisenbacher – er ist derzeit in Aserbaidschan als Trainer der Judo-Herren-Nationalmannschaft tätig – überhaupt zum Prozess nach Wien gereist sei, erwiderte Lehofer: "Davon gehe ich aus. Ich kenne aber seinen aktuellen Aufenthaltsort nicht."

Seisenbacher sei "ganz sicher am Leben", trat sein Anwalt Spekulationen entgegen, der Exjudoka, könnte sein Leben angesichts der bevorstehenden Hauptverhandlung beendet haben. "Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich kenne ihn seit 30 Jahren. Wir sind nicht nur beruflich, sondern auch privat verbunden. Er war optimistisch, was den Ausgang des Strafverfahrens betrifft. Er war erleichtert, dass das jetzt zu einem guten Ende kommen kann", sagte Lehofer.

Die Justizbehörden gaben übereinstimmend an, nichts von dem unentschuldigt seiner Verhandlung ferngebliebenen Exjudoka gehört zu haben. "Seitens der Verteidigung sind bei uns keine Informationen zum Aufenthaltsort Seisenbachers bzw. zum Grund seines Fernbleibens eingegangen", teilte Gerichtssprecherin Christina Salzborn mit. Auch bei der Staatsanwaltschaft wartete man bisher vergeblich auf Aufschlüsse, gab Behördensprecher Thomas Vecsey bekannt.

Sobald er wisse, wo sich Seisenbacher befindet, "werde ich das in einem Schriftsatz umgehend dem Gericht mitteilen", kündigte Verteidiger Lehofer an. Auf die Frage, ob er mit einem Haftbefehl rechne, sagte Lehofer: "Was die Staatsanwaltschaft tut, kann ich nicht beurteilen. Dazu möchte ich mich nicht äußern." Seisenbacher droht im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.

Laut Anklage soll Seisenbacher – damals 37 Jahre alt – ab 1997 ein damals neunjähriges Mädchen bedrängt haben. Bei der Schülerin handelte es sich um die Tochter eines guten Freundes, die in dem Judoverein, in dem Seisenbacher nach dem Ende seiner aktiven Karriere als Trainer tätig war, die fernöstliche Kampfkunst erlernen wollte. Von 1999 an – das Mädchen war elf – kam es nach Angaben der Betroffenen zu geschlechtlichen Handlungen, die als schwerer sexueller Missbrauch einer Unmündigen qualifiziert sind. Die Schülerin soll bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs von Seisenbacher wiederholt missbraucht worden sein.

Im Sommer 2004 soll sich der Exjudoka laut Anklage einem weiteren, damals 13 Jahre alten Mädchen zugewandt haben, das ihm ebenfalls als Trainer anvertraut war. Auch mit dieser Unmündigen soll es zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Bereits im August 2001 soll sich der Olympiasieger auf einem Judosommerlager an ein drittes Mädchen herangemacht haben. Die 16-Jährige wehrte ihn ihrer Darstellung zufolge aber ab. Für die Staatsanwaltschaft stellt sich dieser Vorgang als versuchter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses dar. Für Seisenbacher, der sich zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen bisher nicht öffentlich geäußert hat, gilt die Unschuldsvermutung. (APA, red, 20.12.2016)