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Das Smartphone ist stets beides – Freude und Ärger, Nutzen und Schaden, Chance und Risiko.

Foto: susanna bates / epa / apa

Was ist der Wert eines Smartphones? Jedenfalls mehr als sein Kaufpreis. Man kann es zwar auch zum Telefonieren nützen, muss es aber nicht. Denn es kann viel mehr.

Es bietet es uns die Möglichkeit, stets den Liebsten zu sagen, dass wir gerade das Haus verlassen, ins Auto steigen, in der Straßenbahn sitzen, im Hörsaal oder in der Arbeit gut angekommen sind oder noch schnell den Einkauf erledigen, bevor wir wieder heimkehren. Und natürlich wird auch nachgefragt – fast jedes Abheben begleitet heute die Frage: Wo bist du denn? Selbst dann, wenn man am Festnetz zu Hause angerufen wird.

Es ermuntert uns, stets unser Tun zu dokumentieren, wird solcherart zum ewig währenden Archiv des Augenblicks und verortet uns zugleich in permanenter Bedeutungslosigkeit.

Es weist uns den Weg, ersetzt Straßenkarten, sagt uns den Takt des öffentlichen Verkehrs an, taktet uns mit, in der Fremde wie in der Heimat, im Beruf und in der Freizeit. Es orientiert uns und hinterlässt uns zugleich (jedenfalls mit leeren Akkus) nicht selten orientierungslos.

Zwang zur Partizipation

Es vernetzt mit der Welt und allen Freundinnen und Freunden dieser Erde, mit denen, die man kennt, und denen, die man vielleicht auch gar nicht kennenlernen will.

Es hilft, Pausen zu füllen, das Warten auf den Bus zu verkürzen und die Einsamkeit im Kaffeehaus, die Toilettengänge anderer auszulösen vermögen, durchzustehen. Es ist stets da, wenn uns anderes oder andere fehlen, und verhindert zugleich, dass die Leere des Daseins uns in Reflexion oder Nachdenken führt.

Es beschäftigt uns, auch wenn wir anderes zu tun hätten. Es erinnert dich freundlich an Versäumtes – daran, dass deine Freunde auf Antwort warten, du auf Twitter endlich nochmals durchstarten solltest, es blinkt oder klingelt auf Wunsch bei jeder Nachricht aller anderen Smartphone-User, denen du verbunden bist, ermöglicht Teilhabe und zwingt zugleich in Partizipation.

Es hält alle Informationen bereit, jederzeit und überall – solange ein Netz verfügbar ist. Fehlt es, fallen wir aus der Welt. Sind wir online, wissen wir trotzdem nicht, ob wir den Informationen trauen dürfen.

Verfolgen und verfolgt werden

Es spielt für uns Musik, lässt uns mit Kopfhörern im Ohr in eine Welt versinken und zugleich aus der Realität fallen, im schlimmsten Fall zu digital deadline walkers werden, für die kein Vertrauensgrundsatz auf der Straße gelten kann.

Es zeigt uns an allen Orten Videos und zwingt uns nicht mehr vor den fix verkabelten Fernseher, verortet uns in einer virtuellen Welt und macht uns zugleich unverbunden.

Es lädt Groß und Klein zum Spielen ein, gegen andere, gegen sich selbst, und rankt uns in einer virtuellen Gemeinschaft von Spielenden, die einander nie begegnen werden.

Es vermisst uns laufend in jeder Bewegungsform, liefert Daten über uns selbst, verspricht solcherart Selbsterkenntnis und liefert zugleich jede Menge Datenspuren für Fremdvermessungen aller Art – es begleitet uns auf Schritt und Tritt und hilft dabei, uns selbst stets zu verfolgen und von anderen verfolgt zu werden.

Es begleitet durch den Tag und in der Nacht. Wird es vergessen oder geht es gar verloren, vermag dies Panik auszulösen oder gar den Verlust eines Teils von uns selbst.

Letztlich eine Entscheidung

Es ist, wie alle Technologien, nicht wertneutral. Weder ausschließlich gut noch einzig schlecht. Es ist stets beides – Freude und Ärger, Nutzen und Schaden, Chance und Risiko. Es macht uns frei und unfrei zugleich. Und letztlich ist es eine Frage der Entscheidung, wann und wo, wie und wofür, warum, ob wir es überhaupt nutzen wollen oder ob wir es lieber (zwischendurch) bleiben lassen wollen. Was uns bleibt, die letztlich immer die Freiheit der Entscheidung. (Larissa Krainer, 27.12.2016)