Es kann gut sein, dass manchem die Worte "O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit" nicht über die Lippen kommen wollen. Anlass, den Weihnachtsfrieden auszurufen, gibt es heuer wahrlich nicht, höchstens eine Verschnaufpause. Das Jahr mit all seinen Tragödien und einschneidenden Entscheidungen, wie der Wahl von Donald Trump in den USA und dem Brexit-Votum, wirkt über 2016 hinaus nach, von "fröhlicher Weihnacht überall" kann keine Rede sein.

Dann kam auch noch der Anschlag in Berlin dazu: auf einen Adventmarkt – ein symbolischer Ort, der für fröhliches Zusammensein und eine christliche Tradition steht. Mitten in der deutschen Hauptstadt ist eingetreten, was von deutschen Sicherheitskreisen schon länger befürchtet worden war: dass sich die Möglichkeit eines Attentats in blutige Wirklichkeit verwandelt; dass Terroristen dort zuschlagen, wo offene Gesellschaften am verletzlichsten sind, wo es keinen hundertprozentigen Schutz gibt.

Der mutmaßliche Attentäter von Berlin ist tot, die akute Gefahr ist vorüber. Das ist für die Menschen in der deutschen Hauptstadt zwar eine Erleichterung, aber die Gefahr des Terrorismus ist damit nicht gebannt. Mit seinem Tod sind auch die Ermittlungen nicht beendet. Durch seinen Tod werden aber womöglich nicht alle Fragen beantwortet werden können: Hat er allein gehandelt, gab es Hintermänner?

Die deutschen Behörden müssen sich diesen Fragen stellen, denn es sind offensichtlich Fehler gemacht worden. Warum die Möglichkeiten der Gesetze nicht ausgenutzt wurden, um einen sogenannten "Gefährder" festzuhalten und tatsächlich abzuschieben, wird geklärt werden müssen. Eine sofortige Abschiebeanordnung hätte wegen "einer besonderen Gefahr für die Sicherheit" erfolgen können. Warum die deutschen Kollegen auf Warnungen von Geheimdiensten ausländischer Staaten nicht reagiert haben, ist auch dringend klärungsbedürftig.

Es lag am Vollzug der Gesetze, weshalb der Ruf nach einer Verschärfung der Rechtsordnung in diesem Fall ins Leere läuft. Das fordern auch diesmal all jene, die von der Angstmache politisch profitieren wollen, diese Furcht ausnützen und sogar noch schüren.

"Der Terrorismus fordert uns alle", sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat, unsere Werte, unsere Mitmenschlichkeit." Es stellt sich tatsächlich für jeden Einzelnen, der die Ereignisse von Nizza, Brüssel und Berlin – um nur einige zu nennen – nicht so einfach beiseiteschieben kann, die Frage, wie man damit umgeht. Wie sehr diese Attentäter uns in Angst und Schrecken versetzen können, hängt auch von unseren Reaktionen ab. Wie sehr wir auch unseren Alltag und unsere Sichtweisen davon beeinflussen lassen: Müssen wir jeden fremd aussehenden Mann für einen potenziellen Attentäter halten? Sagen wir Opern- oder Marktbesuche lieber vorsorglich ab? Dass nach der Wiedereröffnung die Menschen massenhaft auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz strömten, war eine beeindruckende Antwort.

Wir müssen lernen, mit Terror, Angst und Kontrollverlust umzugehen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, rief dazu auf, mit "trotziger Zuversicht" Weihnachten und das neue Jahr zu feiern. Eine Einstellung, die vielen nicht leichtfallen wird. (Alexandra Föderl-Schmid, 24.12.2016)