Simone Peter erhielt für ihre Polizeikritik auch innerparteilich praktisch keine Rückendeckung.

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Nach ihrer Kritik an der Kölner Polizei räumt die Bundesvorsitzende der deutschen Grünen, Simone Peter, Fehler ein. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" erklärt sie, vorschnell geurteilt zu haben: "Ich hätte abwarten sollen, bis weitere Informationen vorliegen."

"Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, ich würde die Polizei stigmatisieren und ihr pauschal Rassismus vorwerfen, bedauere ich das", sagte die Parteichefin.

"Diffamierend und verletzend"

Gleichzeitig beklagte sie die Reaktionen auf ihre Aussagen als "diffamierend und verletzend": "Man muss in einem Rechtsstaat Polizeieinsätze hinterfragen dürfen, ohne pauschal beschimpft und bedroht zu werden."

Am Neujahrstag hatte Peter gegenüber der "Rheinischen Post" gesagt, es stelle sich "die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, wenn insgesamt knapp 1.000 Personen allein aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden", und der Polizei damit implizit eine rassistische Vorgehensweise vorgeworfen. Die Verwendung des Polizeijargon-Begriffs "Nafri" für Nordafrikaner in einem Tweet der Silvesternacht wurde der Polizei ebenso vielfach als Rassismus angelastet.

Scharfe Kritik

Peter war nach ihren Aussagen sowohl von Vertretern anderer Parteien als auch von Parteifreunden zum Teil scharf kritisiert worden. Auch diverse Medien wie "Spiegel", "Süddeutsche Zeitung", "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Zeit" übten in Kommentaren Kritik unter anderem an der "Weltfremdheit" der Grünen. Die "Bild" titulierte Peter gar als "Grüfri", als "GRÜn-Fundamentalistisch-Realitätsfremde Intensivschwätzerin".

In der eigenen Partei stellte sich praktisch niemand auf die Seite der Chefin. Der Co-Bundesvorsitzende Cem Özdemir sprach sich klar für die Strategie der Einsatzkräfte aus, gezielt die großen Gruppen angereister Nordafrikaner zu kontrollieren. Dass "viele Menschen mit hohem Aggressionspotenzial" nach Köln gereist seien, sei ein "Anlass zu Besorgnis" und dürfe nicht ignoriert werden. "Zur traurigen Wahrheit gehört, dass manche nur eine harte Sprache und klares Handeln verstehen", sagte Özdemir.

"Großer Schaden"

Der grüne Oberbürgermeister Tübingens, Boris Palmer, schrieb am Dienstag auf Facebook, Peters Wortmeldung habe großen Schaden angerichtet, es sei kein guter Start in das neue Jahr. Die Grünen seien aus Protestbewegungen entstanden, die Polizei und Staat zum Gegner hatten. Das wirke bis heute nach: "Grüne Innenpolitik wird fast ausschließlich als Schutz des Bürgers vor dem Staat definiert", so Palmer.

Doch "wenn hunderte Frauen am Kölner Bahnhof angegrapscht werden und ein Lkw eine Mordfahrt über einen Weihnachtsmarkt macht, dann wollen fast alle Menschen nicht vor dem Staat, sondern vom Staat geschützt werden. Darauf gibt es keine grüne Antwort. Die Parteivorsitzende hat dieses Defizit erschreckend sichtbar gemacht." Die Grünen müssten im Wahljahr die Frage beantworten: "Welche zusätzlichen Instrumente bekommt der Staat, um uns vor Gewalt zu schützen, die von Menschen nichtdeutscher Herkunft ausgeht?"

Palmer gilt bei vielen in der Partei als Enfant terrible und erhielt in der Vergangenheit immer wieder Rügen, insbesondere durch die Parteichefin Peter. Im August 2016 hatte Palmer in einem Interview gefordert, Gewalttätern das Asylrecht abzuerkennen, auch wenn es sich um Syrer handle. Peter kanzelte dies damals als "klassischen Palmer-Nonsens" ab.

Korrektur

In Bezug auf ihre Kritik an der Exekutive ruderte Peter am Montag zurück. In einem Facebook-Posting schrieb sie, dass die Polizei "umsichtig gehandelt hat, wenn sie schnell und konsequent verabredete Gruppen an erneuten Gewaltausbrüchen gehindert hat".

Die Aussagen Peters sind nicht die erste vorschnell geäußerte Kritik an Polizeieinsätzen durch prominente Grünen-Vertreter in der jüngeren Vergangenheit. Nach dem Anschlag von Würzburg im Juli 2016, bei dem ein Afghane mehrere Menschen mit einen Axt angegriffen hatte, sorgte die grüne Abgeordnete Renate Künast mit einem Tweet für Empörung. In einer ersten Reaktion kritisierte sie die Polizei dafür, dass diese den islamistischen Angreifer erschoss: "Wieso konnte der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden???? Fragen!" (Michael Vosatka, 4.1.2017)