Mit geschätzten eine Million Fahrern ist Uber längst zum größten Taxikonzern weltweit avanciert – möchte man meinen. Das US-Unternehmen würde diese Aussage allerdings nicht unterschreiben. Man sieht sich als Technologieunternehmen, das den Fahrern ein praktisches Mittel zum Zweck liefert: die App. Auf diese Weise möchte sich Uber auch aus Debatten über den Verdienst oder die Absicherung von Fahrern heraushalten.

Millionen Menschen nutzen Uber als Einkommensquelle. Ist das Unternehmen also mehr als "nur" die Technologieplattform?
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Ein klares Urteil

Ein erstinstanzliches Urteil hat dieser Argumentation vor einigen Wochen einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht: Wer für Uber fährt, gilt in Großbritannien fortan als "worker" und hat damit unter anderem Anspruch auf Mindestlohn und Urlaub. Fast humorvoll und mit einigen Shakespeare-Zitaten schmettert das Arbeitsgericht die Einwände des US-amerikanischen Unternehmens ab. Vor allem die Darstellung, dass es sich bei Uber nur um eine Technologieplattform handle und die Fahrer selbstständige Erwerbstätige seien, stimme nicht. Die zwei klagenden Uber-Fahrer bekommen damit Recht. Laut der Gewerkschaft GMB, die die Klage unterstützte, könnte das Urteil Auswirkungen auf 30.000 Fahrer haben – Uber hat Berufung angekündigt.

Ähnliches gibt es auch aus der Schweiz zu berichten: Uber ist mit einem Einspruch bei der sogenannten Suva – sie entscheidet für die Sozialversicherungen, wer im Transportgewerbe selbstständig ist und wer nicht – abgeblitzt. Für die Suva ist klar: Uber-Fahrer sind Angestellte und keine Selbstständigen, der Konzern muss folglich Sozialabgaben zahlen. Begründet wird dies durch die den Fahrern drohenden Konsequenzen, wenn sie die Vorgaben von Uber nicht erfüllen. Zudem können die Fahrer Preis und Art der Zahlung für die Dienstleistung nicht selbst bestimmen. Uber kann den Entscheid jetzt vor dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich anfechten.

Eine der zentralen Fragen: Wie soll die Arbeitszeit in der digitalisierten Arbeitswelt kontrolliert beziehungsweise eingeteilt werden?

Zu schnell für nationales Recht

Verhandlungen wie diese wird es in Zukunft noch öfter geben, denn die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen der sogenannten Gig-Economy sind für nationales Arbeits- und Sozialrecht zu schnell. Während früher der Acht-Stunden-Tag mit einer 36-stündigen Ruhepause pro Woche oder ein Ende der Kinderarbeit Visionen der Arbeit von morgen darstellten, geht es heute um völlig neue Rahmenbedingungen: Da sind gut ausgebildete Selbstständige, die ihre Arbeit ortsunabhängig und wann sie wollen erledigen. Oder Arbeiter in der Produktion, die via App die Schichten für die nächste Woche eintragen wollen. Die vielen Menschen, die sich online etwas dazuverdienen wollen – schnell und unkompliziert, nur durch ein paar Klicks. Da ist aber auch ein Meer an Daten, das jedes Unternehmen über Mitarbeiter beziehungsweise Mitbewerber sammelt. Schnell wird deutlich, dass das Arbeitsrecht der Zukunft mit einer Menge an neuen Variablen umgehen muss. Nationalstaaten beginnen langsam sich damit auseinanderzusetzen, während Uber, Airbnb und Co ausprobieren, was möglich ist.

Die (alten) Regeln des Spiels

"Wir wollen keine regulierungsfreie Zone", sagt Andreas Weinberger, in Österreich für die Geschäfte von Uber zuständig. "Wir wollen eine sinnvolle Regulierung, die den Wettbewerb fördert und den Konsumenten schützt." Zwar läuft Uber in Österreich nicht Gefahr, sich Urteile wie in England einzuhandeln: Jenes Geschäftsmodell, bei dem Personen mit eigenem Pkw Fahrgäste transportieren können, wird in Österreich nicht angeboten – hierzulande operiert man über Mietwagenfirmen. Deren Fahrer können Uber nutzen, wann immer sie gerade Zeit haben und möchten. Wie es mit dem neuen Angebot Uber Eats aussieht, kann Weinberger nicht kommentieren, das falle nicht in seinen Zuständigkeitsbereich.

In Österreich für Uber verantwortlich: Andreas Weinberger ist mit seinem ersten Jahr in Wien sehr zufrieden. Es habe einen kräftigen Zuwachs an Fahrten gegeben, genaue Zahlen möchte er aber nicht nennen.
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Auch Weinberger betont, dass Uber kein Transportdienstleister sei, sondern eine Technologieplattform. "Wir haben keinen direkten Kontakt mit den Fahrern, sondern nur mit den Partnerunternehmen." Diese seien für die Einhaltung des österreichischen Arbeitsrechts verantwortlich. Uber hält sich an die geltenden Spielregeln. Regeln, die Weinberger allerdings für nicht mehr zeitgemäß hält: "Diese Überlegungen bezüglich der Mobilität entstanden in einem völlig anderen Zeitalter. Die Bedürfnisse haben sich geändert." Im letzten Jahr habe er sich deswegen mit vielen Politikern und Entscheidungsträgern getroffen. Diese Aufklärungsarbeit habe Priorität gehabt, denn es habe viele Fragen bezüglich der Absichten und Ziele von Uber gegeben. Die Reaktionen seien sehr positiv ausgefallen. "Natürlich möchten wir anstoßen, umzudenken und die Regulierung auf das zu fokussieren, was zählt: die Sicherheit von Fahrgast und Fahrer."

Das englische Urteil habe er mitverfolgt, in Österreich tue das aber nichts zur Sache. Auch weil die Kategorie "workers" rechtlich nicht den österreichischen Angestellten entspricht. "Wir wissen aus Umfragen, dass nur ein sehr geringer Anteil der Partnerbasis angestellt sein möchte. Die überwiegende Mehrheit würde lieber flexibel sein und die Arbeit dem Leben anpassen, nicht umgekehrt", sagt Weinberger.

Sozialstatt steht zur Disposition

Wenn der Computer der Chef ist – und die allgemeinen Geschäftsbedingungen der "Arbeitsvertrag" –, mit wem bespricht man die Arbeitsleistung – auch an schlechten Tagen? Mit wem verhandelt man die Arbeitszeit, die Lohnerhöhungen?
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An sozialer Absicherung in Form von fairen Löhnen, Krankenversicherung und Altersvorsorge sind Menschen aber auch in der Gig-Economy noch interessiert, sagt Klemens Himpele, Leiter der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien (MA 23). Er war federführend an der Erarbeitung einer Strategie beteiligt, wie die Stadt Wien mit Teilen der Sharing Economy – vor allem Airbnb und Uber – umgehen will. "Die Grenzen zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Arbeit verschwimmen. Dies wird in der digitalen Arbeitswelt noch mehr der Fall sein."

Und das sorge für eine ganze Reihe an Herausforderungen: Wenn der Computer der Chef ist – und die allgemeinen Geschäftsbedingungen der "Arbeitsvertrag" –, mit wem bespricht man die Arbeitsleistung – auch an schlechten Tagen? Mit wem verhandelt man die Arbeitszeit? Die Lohnerhöhungen? Himpele spitzt zu: "Im Prinzip stehen alle Errungenschaften des Sozialstaats zur Disposition. Es müssen neue Lösungen gefunden werden, die einerseits technologischen Fortschritt ermöglichen und andererseits soziale Standards absichern."

Neue Ideen

Für welche Konflikte das sorgt, erkennt man in Österreich allein am Beispiel der Arbeitszeitflexibilisierung und der unterschiedichen Standpunkte und Wünsche diesbezüglich.

In Deutschland wurde Ende November das Weißbuch "Arbeiten 4.0" veröffentlicht: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Verbände, Gewerkschaften und Unternehmen um Stellungnahmen gebeten, zahlreiche Fachworkshops und Themenveranstaltungen durchgeführt, wissenschaftliche Studien in Auftrag gegeben und auch im direkten Dialog vor Ort mit Bürgerinnen und Bürgern Meinungen eingeholt.

Die übergeordnete Frage lautete: Wie kann das Leitbild der "guten Arbeit" auch im digitalen und gesellschaftlichen Wandel erhalten oder sogar gestärkt werden? "Wir wollen die Chancen der Digitalisierung für Wirtschaft, Beschäftigung und gute Arbeit nutzen. Dafür müssen wir die Sorgen um Arbeitsplatz- und Qualifikationsverlust, Arbeitsverdichtung und Entgrenzung, auch die Kluft zwischen Menschen, die Freiheit und Flexibilität als Verheißung sehen, und solchen, die vor allem Stabilität und Sicherheit wünschen, ernst nehmen", schreibt die deutsche Sozialministerin Andrea Nahles. Im Weißbuch ist die Rede von einer Stärkung der sozialpartnerschaftlichen und betrieblichen Aushandlungsprozesse, auch im Bereich Datenschutz ist die Rede von neuen notwendigen Spielregeln.

In Zukunft gilt für immer mehr Menschen: Mein Arbeitsplatz ist dort, wo es eine Internetverbindung gibt.
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Was heißt das konkret? Eine der vielen Ideen bezieht sich etwa auf die von Himpele angesprochenen verschwommenen Grenzen zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Arbeit: Im Weißbuch wird vorgeschlagen, Selbstständige grundsätzlich ebenso wie abhängig Beschäftigte in die gesetzliche Pensionsversicherung einzubeziehen. Formuliert wird außerdem die Idee eines Wahlarbeitszeitgesetzes: mit Rechten für Beschäftigte, ihre Arbeitszeit der Lebensphase anzupassen. Nahles will dies zunächst für zwei Jahre in der betrieblichen Praxis erproben. Teilzeitarbeitnehmern soll das Recht, zur Vollzeit zurückzukehren, gesetzlich abgesichert werden. Der Gesetzesentwurf für dieses Rückkehrrecht liegt seit kurzem vor. Andere Ideen sind noch weit von einer möglichen Umsetzung entfernt.

Rechte von Crowdworkern

Auch in Österreich arbeiten unterschiedliche Player an innovativen Lösungen: Mit Martin Risak lehrt einer der führenden Arbeitsrechtsexperten zu plattformbasiertem Arbeiten und den Veränderungen in der digitalisierten Arbeitswelt an der Uni Wien. Die Arbeiterkammer widmet sich dem Phänomen Crowdwork ausführlich und gibt Überblick über die österreichische Szene. Aktuell beteiligten sich die Arbeitnehmervertretung und der Gewerkschaftsbund bei der Arbeit an einem internationalen Paper, an dem Experten von Arbeitnehmerorganisationen und Gewerkschaften aus sechs Ländern beteiligt waren. Hier wurden die Rechte von Crowdworkern definiert. Die Gefahr von Ausbeutung soll dadurch verringert werden. Gefordert werden unter anderem ein Koalitionsrecht (Plattformen sollen Crowdworkern in ihren Geschäftsbedingungen nicht verbieten können, sich zu organisieren) und mehr Transparenz. (lhag, 3.2.2017)