Fertig – das erlösende Wort prangte dann irgendwann nach zehn Jahren Bauzeit auf der Hamburger Elbphilharmonie. "Elphi", wie der Bau genannt wird, ist nun das teuerste Wahrzeichen Hamburgs.

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Für die Berliner wird der Mittwoch ein harter Tag. 300 Kilometer weiter nordwestlich – in Hamburg, jener Hansestadt, mit der die Hauptstädter ihre Metropole ja doch immer ein wenig vergleichen – wird endlich die Elbphilharmonie eröffnet: der Bau der Superlative, das Konzerthaus der Spitzenklasse, das wie ein gigantisches Schiff am Hafen liegt.

Der Grundstein dafür wurde 2007 gelegt, also erst nach dem Spatenstich für den Berliner Megaflughafen BER im Jahr 2006. Und in Hamburg feiern sie heute, während der Berliner "Fluchhafen", der einst im Oktober 2011 seinen Betrieb hätte aufnehmen sollen, noch nicht mal einen Eröffnungstermin hat. Man weiß nur: Es wird immer teurer und teurer.

789 Millionen statt 77 Millionen Euro

Aber man gönnt den Hamburgern die Party und das Eröffnungskonzert, das sogar ORF 3 am Abend live überträgt. Für ein paar Stunden sollen unschöne, aber schwerwiegende Begleiterscheinungen vergessen werden: Eine Bauzeit von zehn statt vier Jahren, Kosten für die öffentliche Hand, die von 77 auf unfassbare 789 Millionen Euro kletterten.

"Das ist schon ziemlich aberwitzig", sagt Jobst Fiedler, Resident Senior Fellow an der Berliner Hertie School of Governance gegenüber dem STANDARD. Er nahm für die Studie "Großprojekte in Deutschland – Zwischen Ambition und Realität" nicht nur die Hamburger Elbphilharmonie, sondern 170 weitere Megabauten seit dem Jahr 1960 unter die Lupe. Das Fazit: Die Kosten erhöhten sich im Schnitt um 73 Prozent.

Mautsystem kostete das 11,5-Fache

Als besonders tiefes Milliardengrab erwiesen sich das 2002 gegründete Lkw-Maut-System Toll Collect, bei dem Mehrkosten von 6,9 Milliarden Euro (das 11,5-Fache) anfielen. Auf eine gewaltige Kostensteigerung brachte es auch das Atomkraftwerk Kalkar, das nach seiner Fertigstellung 1985 2,8 Milliarden statt 471 Millionen Euro fraß. Ans Netz ging es wegen Sicherheitsbedenken nie, es beherbergt heute immerhin einen Vergnügungspark.

"Überoptimismus, was die getroffenen Annahmen angeht", hat Fiedler bei vielen Großprojekten als anfänglichen Kardinalfehler ausgemacht. Es werde in den Administrationen schlicht zu knapp kalkuliert, weil die verantwortlichen Politiker Sorge hätten, dass sie ein Projekt überhaupt nicht durch das entsprechende Parlament bringen, wenn der Preis schon am Anfang (zu) hoch ist.

Verzicht auf finanziellen Puffer

Also verzichten viele auch gleich auf einen finanziellen Puffer – nach dem Motto "Wenn wir den genehmigen, wird er sowieso verbraucht, daher lassen wir es". Fiedler: "Dann steigt etwa der Stahlpreis, oder es ergeben sich höhere Kosten bezüglich Umweltauflagen, aber es gibt keinen Spielraum." Gelegentlich wird hinter verschlossenen Türen schon die Frage gestellt, ob ein einmal begonnenes Projekt lieber gestoppt werden solle getreu der Devise: Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende.

Berliner Flughafen abreißen

In Berlin, beim Flughafen, gibt es solche Gedanken. Zuerst waren sie allerdings satirischer Natur. So schrieb die Website Der Postillon 2014, der BER solle abgerissen werden, weil ein Weiterbau mittlerweile zu kostspielig sei. Wenig später brachten Abgeordnete diese Option ernsthaft ins Spiel.

Meist kommt es jedoch zu keinem Abbruch, sondern es folge "die absichtsvolle Täuschung", so Fiedler: "Man will nicht zugeben, dass es teurer wird und versucht, anderswo beim Projekt einzusparen" – erst recht, wenn es sich wie bei der Elbphilharmonie um ein Prestigeprojekt handelt.

"Gleichzeitiges Planen und Bauen"

"Selbstüberschätzung der Verantwortlichen", eine "untaugliche Projektorganisation mit zu wenig Fachwissen, zu hoher politischer Einflussnahme und einem verfrühten Vertragsabschluss, was gleichzeitiges Planen und Bauen nach sich zog" – so beschreibt die Studie die Gründe für das Hamburger Millionengrab.

Das müsste so nicht sein. Die Studie empfiehlt eine viel ausführlichere Risikoanalyse zu Projektbeginn, auch wenn dies einige Millionen Euro mehr kostet. Dies lohne sich, wenn Kosten dann hinterher eingespart werden.

Zudem müssten öffentliche Bauherren Projektpartner mit viel Expertise in die Organisation einbeziehen, um gegenüber privaten Baufirmen auf Augenhöhe zu agieren. Fiedler glaubt, dass dies jedoch künftig stärker berücksichtigt werde. Denn: "Wer nach dem Bau der Elbphilharmonie und dem Berliner Flughafen noch in diese Falle tappt, wird einen hohen politischen Preis bezahlen." (Birgit Baumann aus Berlin, 11.1.2017)