Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters / Marcos Brindicci

Pro
von Christoph Prantner

Es ist einer dieser Orte, die den eingeschüchterten Besucher umgehend wissen lassen, dass er in diesem Leben nur einmal hier verweilen wird: Kois kreisen in den Teichen, im Garten ist kein Halm gedankenlos hingepflanzt, die architektonische Strenge ist unerbittlich.

Dann wird das Essen aufgetragen im State Guest House von Kioto. Ein Dutzend Gänge feinster Leckereien lässt die japanische Regierung den Gästen kredenzen. Die Tischdamen nehmen anmutig die Deckel von den Gerichten.

Der gemeine Westler fängt an, die Spezereien beherzt mit Ebenholzstäbchen zu traktieren. Und zwar so, dass es den Gastgebern jede Contenance abverlangt, die sie nur aufzubringen vermögen.

Japanischer Formalismus mag der allgemeinen Duldsamkeit dienlich sein. Besteck hilft aber auch dabei, Anzüge und Krawatten nicht mit Fischrogen zu verzieren. Deshalb bestellt sich Ihr Autor nach dieser Schnelleinführung in die asiatische Schamkultur beim Japaner stets zuerst Besteck und denkt: In Nippon, so sagen es die Japaner selber, ist der Kunde nicht nur König, dort ist er Gott. Hai, hai, hai!

Kontra
von Andrea Schurian

Stellen wir uns ihn doch einfach vor, den japanischen Freund nämlich, der beim Schnitzelwirt oder in der Buschenschank eisern auf Stäbchen besteht, weil der Einsatz von Messer und Gabel eventuell nicht ganz unfallfrei über die Bühne gehen könnte. Ah ja, finden wir jetzt dann doch ein wenig schrullig.

Und umgekehrt? Einen auf polyglotten Weltmenschen machen, aber beim Japaner für Sushi dann doch Messer und Gabel ordern? Geh bitte!

Konichiwa, tomodachi! Integration ist das Wort der Stunde, des Jahres, ja, des Jahrhunderts! Und das ist, bitte schön, keine eurozentristische Einbahnstraße. Wer sich also nach Nippon aufmacht, sollte vorher nicht nur einschlägige Reiseliteratur studieren, sondern auch den Umgang mit dem landestypischen Esswerkzeug.

Als Übungsplätze bieten sich – noch daheim – Japaner (wahlweise Koreaner, Chinesen oder Vietnamesen) des Vertrauens an. Und bis man die Holzstabelei richtig beherrscht, kann man das Essen ja auch auf die Stäbchen aufspießen. In diesem Sinne: Sayonara beim Japaner! (RONDO, 13.1.2017)