Ein Bett wird durch ein Wiener Krankenhaus geschoben; derzeit müssen Patienten in Wien immer wieder am Gang liegen – wegen der Grippewelle, wie es heißt. Mittwochfrüh wurden in Spitälern des Krankenanstaltenverbunds 87 Gangbetten gezählt.

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Wien – Rund 300 Patienten hat das Donauspital diesen Winter bisher wegen Grippe aufgenommen, heißt es vom Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV). Das seien sechsmal so viele wie in der gesamten Grippesaison 2015/16. Dabei steht der Höhepunkt der Grippewelle erst bevor. Die Lage in den Spitälern sei derzeit so angespannt, weil die Grippewelle früher und stärker ausgebrochen sei, hieß es am Mittwoch vom Krankenhausträger KAV. Es gebe am Tag 800 statt sonst 600 Rettungsfahrten, die meisten zu den städtischen Spitälern.

Allerdings sind Gangbetten und Bettensperren nicht allein ein temporäres und der Grippewelle geschuldetes Phänomen, wie ein Schreiben der ärztlichen Führung der Lungenabteilung des Wiener Wilhelminenspitals zeigt. Seit September sind dort zehn Betten gesperrt, das sei von der Generaldirektion genehmigt worden, heißt es in dem Brief, der dem STANDARD vorliegt. Grund ist eine "ebenfalls der Generaldirektion bekannte ärztliche Unterbesetzung", heißt es weiter.

Ärzte kündigen Gefährdungsanzeige an

Die Teilbettensperre sei auf Mediendruck aufgehoben worden, die Ärzte fordern, das wieder zurückzunehmen. Sie sehen sich dadurch nicht in der Lage, eine "medizinisch professionelle und adäquate Patientenversorgung zu gewährleisten". Das von sechs Oberärzten unterzeichnete Schreiben schließt damit, dass die Ärzte eine Gefährdungsanzeige erstatten und um eine Aufstockung des Personals ansuchen. Mit einer Gefährdungsanzeige hat man im KAV nicht gerechtet. Sie gilt als Warnstufe, sollte die Patientenversorgung in Gefahr sein.

Man habe erst am Vortag die Situation im Wilhelminenspital geregelt, heißt es aus der Generaldirektion auf STANDARD-Nachfrage. Doch man nehme die Meldung ernst und werde sich die aktuelle Lage genau ansehen, besonderes Augenmerk soll dabei auf die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter gelegt werden.

Großteil über 70 Jahre alt

Konkret standen Mittwochfrüh in den sieben großen KAV-Spitälern insgesamt 87 Betten auf dem Gang – bei einer Gesamtzahl von 6.200 Betten in Wiens städtischen Spitälern (ohne AKH). Bis Nachmittag reduziere sich die Gangbettenzahl immer. Montagfrüh habe es etwa im Donauspital in der Früh 30 Stück gegeben, zu Mittag dann nur noch zwei. Volksanwaltschaft und Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) haben angekündigt, die Lage zu prüfen. Aus Wehselys Büro hieß es am Mittwoch, dies sei im Gange.

Etwa drei Viertel der Grippepatienten in den Spitälern sind laut KAV über 70 Jahre alt und bräuchten oft länger für die Genesung. Allein in Wien sind vorige Woche laut Grippemeldedienst rund 19.700 Personen an Grippe oder einem grippalen Infekt erkrankt. So viele Neuerkrankungen binnen einer Woche gab es in der Bundeshauptstadt zuletzt vor 16 Jahren.

Kammer: Ärzte nicht schuld

In Bezug auf die Problematik der Gangbetten hielt Harald Mayer, Obmann der Bundeskurie Angestellte Ärzte in der Bundesärztekammer, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz fest, dass hier nicht die Mediziner die Schuld treffe. Ärzte seien zwar auf Urlaub gewesen, aber nicht zu viele gleichzeitig. Vielmehr hätte der Spitalsträger organisatorische Schritte ergreifen müssen. Notfalls würden Ärzte eben aus dem Urlaub zurückgeholt, dann brauche es aber auch genug Pflegepersonal. "Das Problem kann nur von oben gelöst werden", sagte der Kammerfunktionär.

Mayer forderte bei dem Pressegespräch allgemein mehr Ressourcen für Spitäler und warnte vor einer "Zwei-Klassen-Medizin", die "mit Windeseile" angesteuert werde, wenn nicht mehr Geld in die Hand genommen werde. (Marie-Theres Egyed, Gudrun Springer, 11.1.2017)