Ein Held der Mode: Der russische Designer Gosha Rubchinskiy kleidet ihn passend mit Fußballschal ein.

Foto: Gosha Rubchinskiy

Ein Schal von Weekday.

Foto: Weekday

Der Fanschal war lange ein Kleidungsstück, das keine Ironie kannte. Er war eine Art Bekenntnis am eigenen Körper, drückte Zugehörigkeit aus, legte offen, für welchen Fußballverein das Herz schlug. Austria oder Rapid? Das konnte einem am falschen Ort und zur falschen Zeit durchaus ein blaues Auge eintragen. Einen Fanschal trug man nicht einfach zum Spaß, weil das Muster und die Farben schön waren. Fansein war eine Haltung.

In Europa tauchten Ende der 1950er-Jahre in England die ersten selbstgestrickten Fanschals in den Stadien auf. Omas und Mütter hatten sie in Heimarbeit hergestellt. Ende der 1960er-Jahre wurden Fanartikel in kleinen Stückzahlen dann bereits von den Vereinen selbst hergestellt. Mittlerweile ist Merchandising im Sport ein Milliardengeschäft.

Stadion oder Konzert

Grundsätzlich gab es zwei Möglichkeiten, sein Fantum in Gemeinschaft auszuleben: im Stadion oder bei Konzerten. Pop und Fußball waren die großen Erlebnisfelder, ein Band- T-Shirt drückte nicht nur Musikgeschmack, sondern bestenfalls eine Lebenshaltung aus. Inzwischen ist das alles irgendwie relativ geworden, auf Facebook ist man Fan von allem Möglichen, "von einem bestimmten Café, von Gin Tonic oder sogar Menschenhass", wie das Hamburger Wochenblatt "Die Zeit" in seiner Analyse von Fanschals feststellte.

Der Begriff ist nicht nur inflationär geworden, sondern lässt neuerdings sogar Ironie zu, wie man gerade am besten an den Band-T-Shirts von Teenie-Idol Justin Bieber beobachten kann. Die Modewelt ist verrückt nach seinen Purpose-Tour-Leiberln, die mittlerweile sogar beim Modegiganten H&M im Regal liegen. Die Shirts spielen lässig mit einer Metal-Ästhetik, die gerade extrem angesagt ist. Bekenntnis zur Musik von Bieber? Mitnichten! Aber es sieht cool aus.

Griffige Slogans

Überhaupt: markige Sprüche. Maria Grazia Chiuri ließ für ihr Dior-Debüt letztes Jahr "We Should All Be Feminists" auf ein weißes T-Shirt drucken und griff damit auf eine Tradition zurück, die in den 1980er-Jahren wichtig war, als Mode und politischer Aktivismus nicht zuletzt durch Vivienne Westwood und Katharine Hamnett eine fruchtbare Symbiose eingingen – man denke nur an die "Choose Life"-Shirts.

Als vor ein paar Jahren die ersten Fanschals plötzlich in der Mode auftauchten, waren sie ebenfalls mit griffigen Slogans bedruckt. Die heimische Designerin Christina Berger war eine Vorreiterin, bereits im SS 2011 enthielt ihre Kollektion mit dem schönen Titel "Sexual Sportswear" in Schwarz-Weiß gehaltene Fanschals, auf denen stand: "BREASTS NOT BOMBS". Das Wiener Label Wendy & Jim legte gerade Schals mit "I AM A MAN" vor.

Die französische It-Marke Vetements sorgte 2015/16 mit ihren Fanschals für Begeisterung. Die alten Modehaudegen Comme des Garçons hatten die bunten Teile schon länger im Sortiment, der wahre Hype aber begann, als sie zum fixen Bestandteil jeder Kollektion des russischen Shootingstars Gosha Rubchinskiy wurden, der kyrillische Schriftzeichen hip machte.

Das russische Label Sputnik 1985 kann ebenfalls mit kyrillischer Schrift auf Schals aufwarten. Und sogar die schwedische Modekette Weekday, die im Vorjahr auch in Wien eine Filiale eröffnete, hat einen Fanschal auf dem "Eternity" steht, im aktuellen Sortiment. Die Münchner Marke " Kind Of Guise verkauft welche, auf denen "Stay Classy", "No Worries" und "Bad Vibes" steht.

Fanschals von Kind of Guise.

100 Prozent Polyacryl

Der klassische Jacquard-Schal im Fußball besteht aus 100 Prozent Polyacryl und misst rund 17 mal 160 Zentimeter. Dass der Vetements-Schal trotzdem ein paar Hundert Euro kostete, lag also nicht an der Qualität. Der Siegeszug des Fanschals in der Mode ist eine neue Art von Luxus, man bezahlt dafür, zu einer coolen Elite zu gehören. Das Accessoire wird zum Code, zum Erkennungszeichen für Insider. Man ist Mitglied des FC Fashion.

Seit rund zehn Jahren lässt sich ein relativ neues Phänomen beobachten: der Aufstieg des globalen Fashion-Hipsters. Er ist jung, selbstbewusst, kennt sich mit Mode aus und stellt dieses Wissen auch gerne zur Schau. Egal ob in London, Tokio, Seoul oder Prag, er sieht im Grunde überall gleich aus.

Fanschal und Ironie

"Der Fashion-Hipster ist eine neue Konsumentenschicht, die nicht nach klassischem Luxus sucht", analysiert Modejournalist Eugene Rabkin diese Entwicklung auf der renommierten Onlineplattform "Business of Fashion". "Ironie, Camp und Insiderhumor sind ihm wichtig." Der Fanschal ist also ein Bekenntnis, dass man Ironie in der Mode großschreibt.

Bleibt nur mehr die Frage, wie man ihn am besten trägt. In der Fankurve wird der Schal an die Handgelenke oder Oberarme gewickelt. Alltagstauglich ist das freilich weniger. Im Grunde soll er locker um die Schultern geworfen werden und als Banner an beiden Seiten herunterbaumeln. Also: kein Knoten. Die klassische Schalfunktion, den Hals zu wärmen, geht dabei allerdings flöten. In der Modewelt wird trotzdem vor allem diese Variante sehr geschätzt.

Fußballfans tragen den Schal allerdings auch häufig so, dass er um den Hals gewickelt wird, aber beide Enden nach hinten hängen. Ihn wie eine Krawatte zu binden, hat einen gewissen Schick, weil das Logo vorn sichtbar bleibt. Am verpöntesten ist sowohl im Fußball als auch in der Mode, ihn um den Hals zu wickeln und vorn zu verknoten. Das machen eigentlich nur Kinder oder Leute, denen Regeln egal sind – was im Grunde ja auch wieder cool ist. (Karin Cerny, RONDO, 23.1.2017)

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