Das vor Fett triefende Schnitzelsemmerl, die letscherte Pizza mit Gummikäse oder das aus allen Öffnungen tropfende Kebap-Sandwich – allesamt Snacks, die natürlich offiziell niemand isst. Gut, vielleicht ab und zu und unter Alkoholeinfluss oder wenn gerade keine adäquate Alternative in Gehweite scheint.

Es wirkt fast, als geniere man sich, dabei erwischt zu werden, in die herzhafte und seit Stunden am Grill liegende Käsekrainer zu beißen, bei der der Käse in alle Richtungen spritzt. Und das, obwohl die Wiener Würstelstände so eine lange Tradition haben. Während der K.-u-k.-Monarchie sollten sie Kriegsinvaliden ein Einkommen sichern. Heute sind sie zum Treffpunkt alkoholisierter Nachtschwärmer oder hungriger Touristen geworden.

Gefüllte Germteigfladen namens "Bao" gibt es seit einigen Monaten in der Zollergasse zu kaufen.
Foto: Alex Stranig

Kulinarische Weltoffenheit demonstrieren

Der hippe und ernährungsbewusste Wiener geht – zumindest tagsüber – mittlerweile lieber zu einem der wie Schwammerln aus dem Boden sprießenden Imbisslokale. Was in vielen Großstädten bereits seit vielen Jahren erfolgreich funktioniert, etabliert sich nun zunehmend auch hierzulande. Kleine Geschäfte mit begrenztem Angebot an Speisen, die meistens als praktischer Snack auf die Hand verkauft werden, scheinen anzukommen.

Natürlich geht es hier, wie beim Würstelstand, stets um das gleiche Ziel: Man will sein Hungergefühl stillen. Plötzlich ist es aber angesagt, in einer Auslage zu sitzen und kulinarische Weltoffenheit zu demonstrieren. Und wenn nicht genug Passanten vorbeigehen, wird mit Handyfoto nachgeholfen.

Meistens sind es internationale Snacks, die hier feilgeboten werden. So wie jene von Stefanie Kurasch und Andreas Meisterl. In der Wiener Faulmanngasse verkaufen sie seit einem Jahr "Bánh mì", ein mit knusprigem Schweinebauch, Paté, eingelegtem Gemüse und Koriander gefülltes Baguette. Zum ersten Mal haben sie das Weckerl in Vietnam gegessen. Dort kommt es ursprünglich her. Als ein Freund es in Wien zubereitete, hatten sie die Idee zum eigenen Geschäft. Und weil gerade ein Geschäftslokal frei wurde, haben die Germanistikstudentin und ihr Freund, der vorher Landmaschinen verkaufte, umgeschult.

Andreas Meisterl & Stefanie Kurasch verkaufen vietnamesische Sandwiches.
Fotos: Alex Stranig

Also eigentlich haben sie lediglich das Geschäftslokal gemietet mit der Idee, vietnamesische Weckerln an den Mann zu bringen. Einen richtigen Plan hatten sie nicht. "Wir mussten da erst hineinwachsen. Schließlich kommen wir beide nicht aus der Gastronomie", sagt Kurasch.

Sechs Tage die Woche stehen die beiden im Geschäft und kochen, bereiten vor und verkaufen. "Wir beginnen täglich um 9.30 Uhr mit der Vorbereitung und holen die Brote aus der Bäckerei. Um 19.00 Uhr schließen wir, und dann dauert es noch ungefähr eineinhalb Stunden, bis wir fertig sind." Es wirkt alles sehr improvisiert und dabei so idealistisch. Und vielleicht ist es genau das, was es so authentisch macht. Die köstlich schmeckenden Weckerln scheinen jedenfalls eine Fangemeinde gefunden zu haben.

Der amerikanische Traum

Davon träumen auch Barbara Fegerl und Robert Haider. Das Paar hat vor kurzem mit drei Unternehmern ein Imbisslokal eröffnet, in dem sie Pastrami verkaufen. Wer jemals in New York war und die legendären Pastrami von Katz's Delikatessen probiert hat, wird seine Freude haben. Sie servieren den amerikanischen Snack, der in seiner Ursprungsform mit in Scheiben geschnittenem, gesurtem und geräuchertem Rindfleisch im Roggenbrot serviert wird.

Um nicht nur US-Fans anzusprechen, haben sich die Unternehmer auch Varianten mit Blutwurst oder Seesaibling ausgedacht. "Das schmeckt so herrlich würzig", hört man aus einem Eck des kleinen Lokals. Die Dame, die offenbar zum ersten Mal Pastrami gegessen hat, scheint begeistert zu sein. "Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir die ersten mit richtigem Pastrami in Wien sind", sagt Barbara Fegerl.

Barbara Fegerl und Robert Haider servieren amerikanische Pastrami-Sandwiches.
Fotos: Alex Stranig

Und was macht ihren Pastrami-Imbiss so besonders? "Uns war wichtig, dass das Pastrami so schmeckt wie in London oder New York. Das Fleisch kommt von Paul Mogg aus Berlin. Wir haben es bei ihm gegessen und gewusst: Das müssen wir haben. Die Gäste legen auch gerne mal mehr hin für einen Imbiss, wenn sie wissen, dass sie ein gutes Produkt bekommen", ist die Unternehmerin überzeugt. Sie schätze außerdem die intime Atmosphäre des kleinen Geschäfts. Schließlich sei man als Kunde immer direkt im Geschehen.

Viel Platz ist tatsächlich nicht, lediglich einige wenige Sitzplätze stehen zur Verfügung. Das liegt aber nicht ausschließlich daran, dass die meisten Kunden ihr Sandwich mitnehmen. Vielmehr geht es um die Art des Gewerbes. Zur Verabreichung von einfachen Speisen – darunter fallen unter anderem gegrilltes Fleisch, Pommes oder Würste – und der Einschränkung, nicht mehr als acht Verabreichungsplätze zu haben, ist nämlich keine klassische Gastro-Lizenz vorgeschrieben. Freies Gastgewerbe nennt sich laut Wirtschaftskammer diese Art der Bewirtung.

Gedämpfte Teigfladen

Auch die beiden Schweizer Remo Girstmair und David Honegger fanden Gefallen an diesem Konzept und wollten einen kleinen Imbiss eröffnen. Durch Zufall haben sie online ein freies Geschäftslokal direkt neben der Mariahilfer Straße entdeckt. Dort verkaufen sie seit kurzem Bao, ein gedämpfter Teigfladen mit unterschiedlichen Füllungen. Bekannt ist dieses Gericht vor allem in Taiwan. In Wien wollen die beiden Unternehmer damit durchstarten und hatten von Anfang an klare Vorstellungen vom Design ihres Geschäfts.

Remo Girstmair & David Honegger bringen gefüllte asiatische Germteigtaschen an den Mann.
Fotos: Alex Stranig

"Im Mittelpunkt steht die Küche, und alles passiert rund um sie. Bei der Einrichtung haben wir uns sehr vom Film "Blade Runner" inspirieren lassen", sagt Honegger und spricht auf das pinke Logo an. Und warum nicht gleich ein großes Lokal? "Das Gute an einem kleinen Lokal ist, dass alles viel persönlicher ist. Auch das Team ist sehr klein. Das mag ich", sagt Girstmair. Der Bambusdämpfer, in dem die kleinen Teigfladen zubereitet werden, ist das Herzstück der Bao Bar.

Warmes Sushi

Das ist auch bei Gabor Nagy so, wenngleich sein Laden noch nicht so gut besucht ist wie jener von Girstmair und Honegger. In der Neubaugasse verkauft der gebürtige Ungar eine Art gedämpftes Sushi. Erfunden hat diese Kreation der ungarische Schauspieler Gyözö Szabó. Was in Budapest bereits beliebt ist, muss sich hierzulande noch etablieren. "Die Wiener sind ein bisschen vorsichtig, weil sie es nicht kennen.

Ich muss viel Überzeugungsarbeit leisten. Wenn sie es probiert haben, mögen sie es aber. Es ist anders als bei bekannteren Speisen", sagt Nagy und serviert nach nur wenigen Minuten ein heißes in Butterpapier gewickeltes Sushi mit gedämpftem Lachs. Das ist wahrlich ungewohnt.

Gabor Nagy dämpft Sushi.
Fotos: Alex Stranig

Vertrauter sind einem da schon Hotdogs. Aber nicht jene vom Wiener Würstelstand mit Convenience-Ketchup und -senf oder die, die man in einem schwedischen Einrichtungshaus bekommt. Die Rede ist von sogenannten Gourmet-Hotdogs. Mario Sommer ist mit seiner Frau Kimberley seit einiger Zeit mit einem Food-Truck unterwegs und verkauft die prall gefüllten Weckerln mit unterschiedlichen Würsten seit kurzem auch in einem temporären Geschäft.

Auf der Lerchenfelder Straße, im Eisgeschäft Schelato, bringt er seine Kimbo-Dogs an den Mann. Mitte Februar muss er aber raus. Da wird das Geschäft wieder auf Eis-Laden umgebaut. Er hofft, dass er bis dahin eine geeignete Alternative gefunden hat.

Mario Sommer verkauft seine Gourmet- Hotdogs im Eisgeschäft.
Fotos: Alex Stranig

Dass es Vorteile hat, sesshaft zu werden, haben die meisten Food-Truck-Betreiber bereits gemerkt. Wer von Standplatz zu Standplatz tingelt, muss sich nämlich nicht nur mit Behördenkram herumschlagen, sondern ist auch abhängig von Wetter, ausreichender Stromversorgung oder Wasseranschlüssen.

Und so werden wohl demnächst noch einige fixe Lokale mit Street-Food in Wien eröffnen. Zur flotten Charlotte heißt der erste überdachte Wurst-Imbiss von Gastronom Andreas Flatscher, der Anfang Februar in der Kaiserstraße eröffnen soll. Damit muss man sich dann auch nicht mehr mit seiner Eitrigen verstecken. (Alex Stranig, RONDO, 20.1.2017)

Lokalkritik Bao Bar

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