"Man sollte sich stärker auf Bereiche wie Biotech oder Agrotech fokussieren", sagt Markus Raunig.

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Wichtig sei, in Österreich einen "Entrepreneurial Spirit" zu etablieren.

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STANDARD: Die Politik bemüht sich derzeit intensiv um Start-ups. Im Sommer wurde ein Maßnahmenpaket beschlossen, Teile davon sind bereits in Kraft. Spürt ihr davon etwas?

Raunig: Um das zu sagen, ist es noch zu früh. Die Senkung der Lohnnebenkosten ist jedenfalls kurzfristig ein wichtiger Schritt, genauso die Risikoprämie für Investoren. Langfristig gäbe es viele weitere Punkte, die man angehen müsste. Essenziell wäre, bürokratische Hürden für Gründer abzubauen. Persönlich wichtig ist mir auch das Thema Talente. Man müsste es Start-ups erleichtern, internationale Fachkräfte, vor allem Techniker, ins Land zu holen, Stichwort Rot-Weiß-Rot-Karte. Wenn klar ist, dass jemand einem aufstrebenden Start-up hilft, sollte er keinen so langen Weg haben.

STANDARD: Was haben Start-up-Städte wie Berlin, London oder Paris Wien voraus?

Raunig: International ist es gang und gäbe, dass Gründer neue Mitarbeiter an der Firma beteiligen. Das gleicht aus, dass sie guten Leuten weniger zahlen als große Unternehmen. Dafür, dass das möglich ist, gibt es verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen, und da sind wir in Österreich sicher noch nicht ideal aufgestellt.

STANDARD: In Paris entsteht gerade ein riesiger Start-up-Campus. Bräuchte es so einen auch hier?

Raunig: Tatsächlich wurde letzte Woche angekündigt, dass es einen ersten Co-Working-Campus in Wien geben wird. Talent Garden baut ihn gemeinsam mit A1 im neunten Bezirk. Ein solcher Campus ist gut, er ermöglicht zusätzlich zu den bereits bestehenden Co-Working-Spaces Raum zum Zusammenarbeiten.

STANDARD: Die meisten Start-ups weltweit hat, gemessen an der Bevölkerung, Israel aufzuweisen. Was wäre kopierbar?

Raunig: Beim Aufbau des technologischen Know-hows hat sicher das Militär eine wichtige Rolle gespielt. Dort herrscht aber auch eine viel stärkere unternehmerische Kultur. Selbst zu gründen wird in Israel deutlich positiver wahrgenommen als hier.

STANDARD: Ein Drittel der Österreicher sagt jedoch im Amway Global Entrepreneurship Report, dass sie es sich sehr wohl vorstellen können zu gründen.

Raunig: Ein Drittel ist viel zu wenig. Alle müssten Gründen als Option sehen. Wichtig wäre, dass wir es schaffen, einen Entrepreneurial Spirit zu etablieren. Und zwar schon in der Schule.

STANDARD: Braucht es ein Unterrichtsfach Entrepreneurship?

Raunig: Ob das nun ein eigenes Fach ist oder nicht – Schüler sollten jedenfalls schon früh eigene Projekte umsetzen können, damit sie diesen unternehmerischen Geist mitbekommen. Ich habe nach der Schule einen Fußballverein gegründet, das war genau der Punkt, an dem ich gesehen habe: Das ist cool. Da kann man gemeinsam mit anderen etwas bewegen, das macht Spaß.

STANDARD: Und an den Hochschulen? Dort gibt es mittlerweile Gründungszentren. Ausreichend?

Raunig: Da hat sich in den letzten Jahren bereits viel getan. Dass es einen physischen Standort gibt, wo Leute hingehen und sich Feedback holen können, ist wichtig. Die Gründerzentren könnten sich aber noch besser vernetzen. Der Unterricht zum Thema könnte auch unternehmerorientierter sein. Es braucht das Umfeld, in dem Studierende ausprobieren können, ob Gründen nicht etwas für sie wäre.

STANDARD: Nun zur Frage, wer gründet. Studien zeigen, dass nur zehn Prozent Frauen unter Gründerinnen und Gründern sind.

Raunig: Das ist traurig. Es wäre wichtig – auch für die Diversität innerhalb von Start-ups – wenn ein größerer Pool an Start-up-begeisterten Frauen bestehen würde.

STANDARD: Welche Rolle spielt, dass Investoren meist männlich sind?

Raunig: Gut möglich, dass das eine Rolle spielt. Es gibt hier gute Initiativen – zum Beispiel von Selma Prodanović, die gezielt weibliche Investoren fördert. Vernetzung ist in jedem Bereich wichtig, denn man tut sich leichter, wenn man nicht "anders" ist als alle anderen. Gleichzeitig sollten wir nicht zu stark Männer- und Frauengruppen bilden, sondern gemeinsam ans Werk gehen.

STANDARD: Austrian Start-ups versteht sich als Sprachrohr und Anlaufstelle. Ihr Vorgänger Christoph Jeschke hat ein Angebot geschnürt, das Start-ups hilft, vergünstigt Leistungen zu beziehen. Wie viele haben es in Anspruch genommen?

Raunig: Es haben sich rund 350 Start-ups dafür angemeldet.

STANDARD: Was sind Ihre Pläne als neuer Geschäftsführer?

Raunig: Wir wollen unsere Services für Start-ups ausbauen. Zum Beispiel möchten wir Guidelines, Vorlagen für rechtliche und finanzielle Dokumente erstellen. Wir wollen internationaler werden: Start-ups, die ins Ausland gehen wollen, dabei helfen, und auch internationalen, die nach Österreich kommen möchten. Ziel ist es schließlich auch, sich in Richtung eines Thinktanks zu entwickeln und so dazu beizutragen, dass Österreich zu einem Start-up-Hotspot wird. Gelingen könnte das, indem man sich auch verstärkt auf Bereiche fokussiert, die noch nicht so viel Hype erfahren haben, etwa Biotech oder Agrotech. (Lisa Breit, 27.1.2017)