Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) betont, dass die Koalitionskrise nicht von der ÖVP ausgelöst wurde.

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Am Dienstag ist die Situation in der Koalition erneut eskaliert. Vorwürfe auf beiden Seiten, schwere Verstimmung und Verärgerung. Die SPÖ wirft der ÖVP vor, den Neustart des Regierungsprogramms bewusst zu verzögern und alles daran zu setzen, die Vorschläge von Kanzler Christian Kern scheitern zu lassen. Die ÖVP wiederum beschuldigt Kern, sich längst im Wahlkampf zu befinden und Neuwahlen anzustreben. Der ÖVP solle nur die Schuld für das Ende der Koalition zugeschoben werden.

Die entscheidende Frage ist, ob und wann eine Einigung auf ein neues Regierungsprogramm und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung gefunden werden kann. Für Bundeskanzler Kern ist das der Freitag. Im Gespräch mit dem STANDARD findet er klare Worte: "Wir brauchen diese Klarheit. Wir müssen Ergebnisse auf den Tisch legen, sonst braucht es diese Regierung nicht mehr." Irgendwann sei nämlich der Tag gekommen, an dem es verständlich sei, wenn man zum Partner sage: "Ihr seid zu weit gegangen."

Verhandlungsrunde am Mittwoch

Noch sei es nicht so weit, beteuern beide Seiten. Es gebe intakte Chancen, sich auf Maßnahmen zu einigen, die man gemeinsam der Öffentlichkeit präsentieren könnte. Eine große Verhandlungsrunde ist für Mittwoch angesetzt. Neben Kern und Mitterlehner werden an dem Treffen Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ), Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der rote Klubchef Andreas Schieder und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) teilnehmen.

Es stünden mehrere Punkte zur Diskussion, bei denen nahezu Einigkeit bestehe: Flexibilisierung der Arbeitszeit und Maßnahmen gegen die kalte Progression, auch im Sicherheitspaket lassen sich Ideen finden, zu denen beide Parteien stehen könnten. Bis Freitag müsse es aber eine grundsätzliche Einigung geben. Dann könne man über konkrete Maßnahmen auch noch nächste Wochen reden, räumt Kern ein.

Im Hintergrund wird auf beiden Seiten mobilgemacht. Der Kanzler bemüht sich derzeit, seinen "Plan A" unter das Volk zu bringen. Am Dienstagabend war er damit in der "Sektion ohne Namen" zu Gast. In der Wolke 19 im Ares Tower in Wien-Donaustadt diskutierte er seine Ideen für Österreich. Er mache Wahlkampf, heißt es von schwarzer Seite.

"Taktisches Gehabe"

Die SPÖ wirft dem Koalitionspartner hingegen vor, man lege es nur darauf an, Einigungen zu sabotieren. Dazu gehöre auch, dass Schelling mit nicht abgesprochenen Vorschlägen zur kalten Progression an die Öffentlichkeit gegangen sei. Kern fordert, man solle sich jetzt auf die wichtigen Fragen konzentrieren. Mitterlehner wiederum richtete der SPÖ aus, man solle künftig "die Inszenierungen und das taktische Gehabe" weglassen und stattdessen "Fakten setzen". Mitterlehner: "Wir sind willig."

Das gelte wohl nur für Mitterlehner, heißt es auf SPÖ-Seite. Der Vizekanzler werde in seinen Bemühungen von der eigenen Partei sabotiert, Außenminister Sebastian Kurz würde eine Einigung hintertreiben. Was dieser von sich weist: Er fordert Regierungsarbeit ein. Zuvor hatte Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) den Kanzler kritisiert: Dieser stelle "Inszenierung vor die Arbeit". Eine vorgezogene Neuwahl "liegt ein bisschen in der Luft, seitens der SPÖ".

Regierungsklausur vom Tisch

Eine Regierungsklausur, wie sie die ÖVP gefordert hat, scheint vorerst vom Tisch. Es gebe ohnedies laufend Gespräche über das neue Arbeitsprogramm. Themenblöcke seien Bildung, Sicherheit, Arbeitsmarkt und Wirtschaft. Bis Freitag sollte das Papier wohl auch deshalb fertig werden, weil Kern am Sonntag nach Israel aufbricht und bis Dienstag bleibt.

Das derzeitige Regierungsprogramm wurde noch von den ehemaligen Parteichefs Werner Faymann (SPÖ) und Michael Spindelegger (ÖVP) ausgearbeitet. Man werde "einige Punkte schaffen", zeigte sich Mitterlehner nach dem Ministerrat am Dienstag überzeugt. "Es liegt sicherlich nicht an uns", betonte er.

Kern ist auch aus einem anderen Grund über den Koalitionspartner verärgert. Die Vorwürfe, die ihm in Zusammenhang mit einem Dirty Campaigning gegen Kurz gemacht werden, seien "schäbig". (Katharina Mittelstaedt, Michael Völker, 24.1.2017)