Die Mariahilfer Straße ist mit 220.800 Quadratmetern Verkaufsfläche die größte Einkaufsstraße des Landes.

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Die österreichischen Innenstädte haben nicht nur starke Konkurrenz durch den Onlinehandel, sondern auch durch Shoppingcenter und Fachmarktzentren an der Peripherie. Wie es den Einkaufsstraßen angesichts dieser Herausforderungen geht, hat das Beratungsunternehmen Standort+Markt nun erhoben. Insgesamt wurden 22 Einkaufsstraßen mit einer Verkaufsfläche von 1,6 Millionen Quadratmetern im ganzen Land untersucht.

Das Resümee der Experten: Es gibt kein "Flächensterben" in den österreichischen Einkaufsstraßen – im Gegenteil. Die Verkaufsflächen der untersuchten Einkaufsstraßen sind im Vorjahr sogar noch einmal um 0,5 Prozent gewachsen. "Aber durch bestimmte Kennzahlen wird deutlich, dass einiges im Busch ist", sagte Hannes Lindner von Standort+Markt am Mittwoch bei der Präsentation der Ergebnisse.

Eine solche Kennzahl ist die Leerstandsrate, die in den untersuchten Einkaufsstraßen – mit der Wiener City, der Mariahilfer Straße, der Meidlinger Hauptstraße, der Favoritenstraße und der Landstraßer Hauptstraße sind fünf davon in Wien – im Schnitt bei 4,8 Prozent liegt. In den letzten drei Jahren seien die Leerstände um zehn Prozent gestiegen, sagt Roman Schwarzenecker von Standort+Markt und nennt als einen Grund dafür Geschäftsflächen, die den modernen Ansprüchen nicht mehr genügen. Besonders stark steigt der Leerstand laut der Erhebung in den Sekundärlagen.

Problemkind Favoritenstraße

Am meisten steht aktuell in Villach und auf der Wiener Favoritenstraße leer, wo die Leerstandsrate ex aequo bei 14,3 Prozent liegt. In Villach seien im Vorjahr mehrere mittelgroße Flächen frei geworden, erklärt Schwarzenecker. An der Favoritenstraße gab es im Vorjahr mit dem Kaufhaus Tlapa und einer Kleider-Bauer-Filiale zwei großflächige Schließungen.

Josef Kaindl (SPÖ), Bezirksvorsteher-Stellvertreter in Favoriten, sieht die Entwicklung der Einkaufsstraße dennoch optimistisch: Mit beiden Unternehmen gebe es Gespräche über einen Abriss der in die Jahre gekommenen Gebäude und eines Neubaus, sagt er dem STANDARD. Eine Neuansiedlung dieser Betriebe würde dann auch weitere Mieter anziehen, ist er sicher. Die Probleme der Favoritenstraße erklärt er sich so: "Da wurden einige Jahre verschlafen, weil auf die Eröffnung des Hauptbahnhofs gewartet wurde."

Am geringsten ist die Leerstandsrate auf der Meidlinger Hauptstraße, der Mariahilfer Straße und in Dornbirn. Auf der Mariahilfer Straße sei der Leerstand vor allem deshalb so gering, weil mit dem ehemaligen Generali-Center, nun "Mahü 77" genannt, eine große leerstehende Fläche neu vermietet wird, so die Experten.

Hohe Fluktuation

Auch die Fluktuationsrate, die aktuell bei 13,3 Prozent liegt, ist für Schwarzenecker ein Indikator dafür, wie es Österreichs Innenstädten geht: "Dort, wo Innenstädte ins Schleudern kommen, nimmt die Fluktuation zu." Denn wo die Mieter häufig wechseln, liege die Vermutung nahe, dass etwas mit den Mietpreisen oder der Lagequalität nicht stimme. Die Wiener Einkaufsstraßen haben eine besonders geringe Fluktuation, am höchsten ist sie in Wiener Neustadt, Wels und Villach.

Noch ein Zeichen für den Wandel der Einkaufsstraßen: Im Vergleich zu den Retailflächen in Shoppingmalls, Retailparks und Fachmarkt-Agglomerationen verlieren die Innenstädte an Gewicht und machen nur noch 20,1 Prozent aller Verkaufsflächen aus. Der Bereich Bekleidung hat laut der Erhebung in den Innenstädten an Bedeutung verloren, Gastronomie- und Freizeitflächen – beispielsweise Fitnesscenter und Wettcafés – haben dafür zugenommen.

Der Ausblick auf die Zukunft fällt bei den Experten durchwachsen aus: Die Flächenkapazität habe nun wohl einen Peak erreicht. Immobilieneigentümer in schlechteren Lagen würden es künftig schwer haben, Mieter zu finden. "Von einer Renaissance der Innenstädte zu reden wäre also zu optimistisch", sagt Schwarzenecker, der den einzigen großen Vorteil der Innenstadt im Vergleich zum Einkaufszentrum an der Peripherie im Ambiente sieht.

Positivbeispiel Wels

Positivbeispiele gibt es dennoch: Im Vorjahr führte Wels die Leerstandsstatistik mit 10,4 Prozent an. Daraufhin wurde von der Stadt mit dem Wirtschaftsservice Wels eine zentrale Anlaufstelle für Mietinteressenten in der Innenstadt gegründet. Heuer liegt der Leerstand laut Erhebung nur noch bei 3,6 Prozent. Eine Vorgehensweise, die laut Lindner auch in anderen strauchelnden Innenstädten funktionieren könnte. (Franziska Zoidl, 25.1.2017)