"Stoak wie a Felsen …" schallt es laut aus den Boxen des neuen alten Lokals in der Wiener Strozzigasse. Das sei das Zeichen, dass der Chef im Haus ist, erklärt die freundliche Kellnerin. Und er dürfte wohl da geblieben sein – später wurde noch die Hardcore-Schlager-Keule rausgeholt. Wo zuvor der Stadtheurige "Zum narrischen Kastanienbaum" beheimatet war, hat nun das Restaurant Freiwild Stellung bezogen.

Nach Restaurant kommt Gasthaus

Peter und Andrea Jöbstl, die auch den Wiener Beach-Club "Sand in the City" betreiben, haben ihre Zelte im vierten Bezirk abgebrochen und auch ihre mit zwei Hauben dekorierte Küche umgestellt. Dass jetzt auf der Tafel der Zusatz "Gasthaus" steht, lässt ein Hausmannskost-lastiges Lokal erahnen. Und das stimmt – bis auf ein paar Ausreißer wie Burger oder Shaking Salads – auch.

Platz ist im neuen Gasthaus, das einrichtungstechnisch mit einem Stilmix aus Brauhaus, Almhütte und Möbelhauskantine aufwartet, jedenfalls genug. Vor allem der großzügige Innenhof, in dem derzeit wintergegrillt wird, schaut auf den ersten Blick durch die Scheibe gut aus.

Kärntner Kasnudeln mit Blattsalat (9,40 Euro)
Foto: Alex Stranig

Und wenn österreichisch gekocht wird, dann isst man auch österreichisch. Am Herd steht Daniel Fischer, der bereits im Team des alten Freiwild war. Die Kärntner Kasnudel macht er allerdings nicht selbst, wie uns mitgeteilt wird. Das kann man wahrscheinlich nur nicht nachvollziehen, wenn man Kärntner ist. Die eigens für das Lokal hergestellten Nudeln schmecken aber überraschend passabel und lassen des Kärntners Herz fast so hoch schlagen wie die des Schlagerfans bei der Musikbeschallung.

Dass man hier aber neben L'amour-Hatschern auch eine große Affinität für Obst in allen Variationen hat, wird bereits bei den Vorspeisen klar. Cranberries auf Kärntner Kasnudeln? Echt jetzt? Na gut, wenigstens waren sie in Nussbutter geschwenkt.

Wildtatar mit Brioche (14,80 Euro)
Foto: Alex Stranig

Der bunte Obstgarten wird noch um weitere Früchte erweitert: Brombeere, Preiselbeere und Heidelbeere gibt es zum wirklich großartig gewürzten und köstlich schmeckenden Wildtatar. Brioche anstelle von Toastbrot ist eine willkommene Abwechslung.

Gefüllte Steckrüben (Frischkäse) mit Zucchini und Kirschparadeisern (13,40 Euro)
Foto: Alex Stranig

Das saisonale Kochen (Beeren im Winter?) ist offenbar nicht ganz oder nur teilweise des Küchenchefs Leidenschaft. Schiebt man nämlich die stereotyp auftauchenden Preiselbeeren zur Seite, entdeckt man ein Gericht, das so einfach wie großartig ist. Mit Frischkäse gefüllte Steckrüben, die nicht bis zur Unkenntlichkeit weichgekocht wurden, einen guten Biss haben und eine harmonische Verbindung mit der in hauchdünne Scheiben geschnittenen Zucchini eingehen. Besser kann man ein winterliches Rübengericht kaum machen.

Cordon bleu (Duroc), gefüllt mit Rehschinken und Bierkas, dazu Kartoffelsalat (22,90 Euro)
Foto: Alex Stranig

Eine Freude ist auch das Cordon bleu vom Duroc-Schwein, das für seinen hohen Anteil an intramuskulärem Fett bekannt ist. Ihm zur Seite wird Rehschinken und Bierkas gestellt, bevor man alles einwickelt, paniert und mit Kartoffelsalat serviert. Ein Fest für Schnitzelfreunde und -skeptiker. Die Obsttiger kommen auch hier nicht zu kurz. Da ist sie wieder, die Preiselbeere, und hat ihre gute Freundin, die Marille, mitgebracht. (Alex Stranig, 7.2.2017)

Auch die Fassade des neuen Lokals wurde einem Relaunch unterzogen.
Foto: Alex Stranig