Bei einer gemeinsamen Straßenbahnfahrt im Herbst war die Laune noch durch kein Grazer Wahldebakel getrübt: Nun soll der steirische SP-Chef Schickhofer (rechts) im Auftrag von Oberboss Kern an der Öffnung der SPÖ arbeiten.

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Wien/Graz – Michael Schickhofer will sich das Debakel nicht umhängen lassen. Ausschließlich lokale Gründe fallen dem steirischen Parteiobmann ein, warum die SPÖ bei der Gemeinderatswahl in Graz am Sonntag von 15 auf zehn Prozent abgestürzt ist: Der vorgezogene Urnengang sei für die nach langem Streit neu aufgestellte Stadtpartei zu früh gekommen, die ÖVP habe die Lage mit der Abwerbung von Klubchef Michael Grossmann und Warnungen vor einer Linksfront aus SPÖ, KPÖ und Grünen weidlich ausgenützt.

Eine generelle Schwäche der Sozialdemokraten in der Stadt lasse sich daraus nicht ablesen, sagt Schickhofer und verweist auf die Landtagswahl 2015: "Da hat uns das Grazer Ergebnis den ersten Platz gerettet." Wenn schon eine allgemeingültige Lehre, dann diese: "Um zu gewinnen, muss man kritischer und kantiger auftreten."

Schickhofer hat der Zustand der eigenen Gesinnungsgemeinschaft über die Landesgrenzen hinaus zu interessieren. Im Auftrag von Kanzler und Parteichef Christian Kern leitet er jene Arbeitsgruppe, die der SPÖ eine "Öffnung" verordnen soll. Kommenden Freitag lädt der Vize-Landeshauptmann Genossen aus allen Bundesländern zum ersten Treffen nach Graz. Schickhofer schwebt etwa die Einführung einer "Gastmitgliedschaft" in der Partei vor, um Aktivisten mit Bindungsvorbehalten zu ködern.

Landtage sollen überleben dürfen

Noch einer Reform hat sich Schickhofer verschrieben, und die ist für einen Ländervertreter eher untypisch: Er will die Landesgesetzgebung, die vom Jugendschutz bis zum Baurecht zu einem Durcheinander von neun verschiedenen Regelungen führt, abschaffen. Damit es nicht bei Ankündigungen wie vor drei Monaten im STANDARD bleibt, hat sich Schickhofer Rat geholt. Für einen ersten Problemabriss gaben Bernd Wieser, Leiter der Rechtsfakultät an der Uni Graz, Verfassungsexperte Theo Öhlinger und andere Experten ihren Input.

Die Radikalmethode bestünde darin, sämtliche Gesetzeskompetenzen dem Nationalrat zuzuschlagen. Dies liefe aber auf eine Abschaffung des föderalistischen Prinzips und damit auf eine mittlere Revolution hinaus – Österreich würde zum "dezentralisierten Einheitsstaat". Für realistischer hält Schickhofer daher eine andere von den Experten skizzierte Variante: Der Bundesrat wird zum "Generallandtag" aufgewertet und soll in der Folge in den bisher neunfach geregelten Länderfragen einheitliche Gesetze beschließen. Beschickt werden soll die Länderkammer von den Landtagen, die der Reformer in spe trotz Entmachtung keinesfalls abschaffen will: Vom Beschluss der Landesbudgets bis zur Kontrolle der Landesregierungen gebe es genug Aufgaben, für die man die regionalen Parlamente brauche.

Spätestens im Mai will Schickhofer ein in allen Details schlüssiges Konzept präsentieren. Schon jetzt ist klar: Selbst wenn der Plan aufgehen sollte, ließe sich damit nur ein begrenzter Teil des föderalistischen Wirrwarrs entflechten. Völlig unberührt bliebe, wie Öhlinger anmerkt, die unübersichtliche und zersplitterte Kompetenzverteilung. (Gerald John, 9.2.2017)