ÖVP-Chef Christian Benger (li.) war ein Satz der Kärntner Landesverfassung ein Dorn im Auge. Das riss eine tiefe Kluft in die Koalition mit Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ, re.) und den Grünen. Nun gibt es eine Einigung.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Kärnten ist ein schönes Land. Eine traumhafte Landschaft, Seen mit Trinkwasserqualität und Heimat von zahlreichen berühmten Künstlern, Schriftstellern, Dichtern und Denkern von Peter Turrini über Ingeborg Bachmann bis hin zu Kiki Kogelnik. Wirtschaftlich gesehen hat es in Kärnten jedoch schon einmal rosigere Zeiten gegeben. Landeshauptmann Peter Kaiser ist redlich darum bemüht, im Rahmen seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten Kärnten auf verschiedenen Ebenen von der Wirtschaft über Soziales bis hin zur Kultur "great again" zu machen. Es hatte den Anschein, dass in Kärnten nach dem Hypo-Desaster wieder Ruhe eingekehrt wäre. Dieser Tage drohte ein Streit über eine Banalität das wirtschaftlich angeschlagene Land aus dem politischen Gleichgewicht zu bringen.

Der Stein des Anstoßes

Stein des Anstoßes war ein Konflikt zwischen der Kärntner SPÖ und ÖVP über einen einzigen Satz in der neuen Verfassung, in dem die gesetzliche Gleichberechtigung der slowenischen Bevölkerung festgelegt wird. Dieser lautete: "Die Fürsorge des Landes und der Gemeinden gilt den deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen." Die Kärntner ÖVP wollte den Passus, welchem sie anfangs zugestimmt hatte, aus der neuen Verfassung entfernen. Im schlimmsten Fall hätten aus diesem politischen Geplänkel sogar Neuwahlen resultieren können. Hier stellte sich die Frage, ob sich, wie es so oft der Fall ist, wenn zwei sich streiten, ein Dritter freuen kann. Nutznießer des Disputs der Regierungspartner hätte die Kärntner FPÖ sein können. Nun stimmte die ÖVP einem Kompromiss zu: statt von "deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten" ist nun von "allen Landsleuten" die Rede.

Sensible Kärntner Seele

Als ob das Bundesland, welches sogar über ein eigenes Autobahnschild an der Stadtgrenze zu Wien verfügt, das die damaligen Landeshauptleute von Kärnten und Wien, Leopold Wagner und Leopold Gratz, bereits in den 70er-Jahren anbringen ließen, nicht wichtigere Probleme zu lösen hätte.

Kärnten hat einen nicht unwesentlichen Rucksack auf dem Weg in eine positive Zukunft für alle Kärntner zu schultern. Hypo-Krise, hohe Arbeitslosigkeit, geringes Wirtschaftswachstum, Abwanderung und vieles mehr hinterlassen Spuren. Das Stimmungsbarometer der Kärntner Bevölkerung hat sich gerade vom "falosn" in eine leicht positive Richtung eingependelt. Zu fragil ist da die sensible Kärntner Seele, um erneut Öl in ein längst beendetes politisches Debattenfeuer zu gießen und dadurch mögliche schlafende Riesen, die von sozialen Polarisierungen profitieren, zu wecken. Wer diesen Weg bewusst einschlägt, wird daraus weniger politisches Kapital schlagen können, als viel wahrscheinlicher mit Anlauf politischen Selbstmord begehen.

Kärnten kann mehr

Das Selbstwertgefühl der Menschen in Kärnten ist nicht mit dem verstorbenen Landeshauptmann zu Grabe getragen worden. Die Menschen sind österreichweit und darüber hinaus für ihre offene Mentalität und ihr freundliches Naturell bekannt und geschätzt.

Dieses Kapital Kärntens, dessen Ursprung auch in der Multikulturalität, basierend auf verschiedenen Volksgruppen, liegt, ist nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Der bekannte Individualpsychologe Erwin Ringel, der die österreichische Seele 1984 beschrieb und dadurch für teilweise sehr heftige Diskussionen sorgte, analysierte auch die Kärntner Seele und die Mentalität der Menschen in diesem von der Natur gesegneten Land. In seinem Vortrag 1985 zur "Kärntner Seele" analysierte Ringel im Vergleich zur "österreichischen Seele" das Potenzial der Menschen treffend: "Die Kärntner sind freier, sie sind lauter, sie sind lebendiger, sie sind nicht eingepanzert." Dieses liberale und offene Klima gilt es nun zu nutzen und nicht wieder in einen falsch verstandenen Nationalismus zu regredieren. Auf diese Offenheit, mitbegründet durch den italienischen und slowenischen Einfluss, ist in dem kleinen, aber feinen Bundesland nun zu bauen. Hier haben kleinbürgerliche Streitigkeiten nichts verloren. Wie der Verlauf der Verhandlungen zeigte, kann am Ende auch die Vernunft siegen. (Daniel Witzeling, 10.2.2017)