Der grüne Abgeordnetenveteran Peter Pilz wartet manchmal mit Enthüllungsgeschichten auf, die dann nur halb so brisant sind. Diesmal nicht. Pilz hat Unterlagen über Bespitzelungsaktionen des größten türkischen Religions-und Kulturvereins Atib (Austro-Türkische Islamische Union). Offenbar haben Atib-Funktionäre in Zusammenarbeit mit dem türkischen Geheimdienst in den rund 65 Moscheevereinen, die der Vereinigung unterstehen und in der türkischen Community generell, tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert.

Die selbst umstrittene Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen wird vom türkischen Autokraten Erdogan unnachsichtig verfolgt. Er macht sie für den Putsch vom vergangenen Sommer verantwortlich, was nach einem Bericht des EU-Geheimdienstzentrums Unsinn ist.

Gülen hat ein problematisches Netzwerk in der Türkei aufgezogen, aber zu behaupten, es sei "unbestritten, dass die Gülen-Bewegung mit Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat oder der PKK gleichzusetzen ist", stellt die typische politische Erdogan-Paranoia dar. Dieses Zitat stammt übrigens aus einem Interview des Kurier mit dem Religionsattaché und Präsidenten der Atib, Fatih Mehmet Karadas.

Karadas hat seine Tätigkeit in Österreich – angeblich "turnusmäßig" – beendet, nicht ohne zuzugeben, dass die türkische staatliche Religionsbehörde Diyanet von der Atib verlangt hat, verdächtige Personen auszuforschen. Derlei ist unerträglich.

Das wirft erneut ein bedenkliches Licht auf die Atib, den größten türkischen Verein in Österreich (die beiden nächstgrößten sind die Islamische Föderation, die der religiös-nationalistischen Millî Görüs nahesteht – und mit der Erdoganpartei AKP kooperiert – sowie eine ultranationalistische Gruppe). Atib steht vollkommen unter der Kontrolle des türkischen Staates, bzw. der Diyanet, was auch an der Rolle von Botschaftsangehörigen an der Spitze zu erkennen ist.

Eine zusätzliche Problematik ist, dass die Atib auch die Macht im offiziellen Dachverband Österreichische Islamische Glaubensgemeinschaft (ÖIGG) übernommen hat, auch wenn dies dementiert wird. Vorsitzender der Glaubensgemeinschaft ist nun ein Atib-Mitarbeiter. Vertreter arabischer religiöser Interessen haben vergebens gegen seine Einsetzung protestiert.

Die österreichische Bundesregierung untersucht nun die Finanzierung der Atib bzw. ihrer Imame durch das Ausland (=Türkei). Das ist seit dem neuen Islamgesetz (Sponsor: Sebastian Kurz) verboten. Angeblich kommt jetzt das Geld durch Spenden österreichischer Muslime herein, aber das bezweifelt nicht nur Peter Pilz.

Fazit: das Erdogan-Regime versucht hier (wie auch in Deutschland) einen Auslandsarm aufzubauen. Man wird genau beobachten müssen, was sich hierzulande in der türkischen Community tut, wenn Erdogan auch in der hiesigen türkischen Gemeinde in einem für Mitte April angesetzten Referendum um Zustimmung für seine diktatorischen Vollmachten kämpft. (Hans Rauscher, 14.2.2017)